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Faszination Wüste 2006 von Bernd Klingsohr, Bernried

Irgendwann und irgendwo nistet sich so ein Gedanke ein, wächst zu einer Idee und daraus entsteht ein Plan. Aber noch vergeht viel Zeit, bis aus dem Plan Wirklichkeit wird. So war es auch mit der Gobi-Fahrt im Juli 2006. Also, der Gedanke kam dem Schreiber dieses Berichts so um 1940. Abenteurer- und Forscherlektüre fesselte mich, so auch Sven Hedins „Durch die Wüste Gabi". Ich wusste, einmal werde ich es schon schaffen, in die Fußstapfen meines damaligen Idols zu treten. Seit Kindesbeinen galt für mich, „wenn du nur fest daran glaubst und wirklich willst, wirst du dein Ziel erreichen". Aber jetzt muss ich viele, viele Jahre überspringen, sonst wird es kein Bericht mehr, sondern ein viel zu langes Buch.

Bis 2005 war ich zwar schon einige Male in der Mongolei, zu Pferd im gebirgigen Norden (darüber wird es noch eine gesonderte Beschreibung geben), aber die Gobi stand noch aus. Begeistert habe ich immer wieder im Freundeskreis von meinen schönen Erlebnissen im Zentrum Asiens erzählt. Also, warum fahren wir nicht hin? Klar, die Gobi fehlt mir noch!

Nun, der Bund war schnell geschlossen: da war der Manfred, bergerfahren und schon weit gereist in Einsamkeit und in der Erde höchstem Gebirge. Der sucht auch immer etwas Besonderes, jagt er doch sonst auf den heimischen Straßen immer dem Stern nach; da ist der Sigi, sein elektrisches Gewerbe hat er schon an den Nagel gehängt (nein, seinem Nachfolger übergeben) weil auch schon die Zeit gekommen ist, solange man noch so drahtig beisammen ist, sich in der Welt umzuschauen, auch er berg- und abenteuererfahren; dann haben wir den Franz, ein lustiger Geselle, der schon in der ganzen Welt unsere Diplomaten beschützt hat und immer schon ein Bergfex war. Der vierte im Bunde dann Harald, der „Bartate" (= der mit dem großen Bart). Kräftig wie die Tannen, die er im Bayerischen Wald hegt und pflegt, der jedes Blümlein kennt - und pfundig singen kann er auch noch. Nur Männer in der Runde wäre ja nichts: also gehört auch Uschi dazu. Schon im unruhigen Ruhestand, denn da sind ja schon (bis im fernen Italien) die Enkel. Auch sie hat Erfahrung mit Bergeinsamkeit, im Sommer wie auch auf dem Gletscher und im Kajak im Wildwasser und auch seit mehr als 50 Jahren mit einem nicht immer ganz einfachen Mann, der, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, es auch realisieren will. Wer wird das wohl sein? Der Sechste ist dann auch schon charakterisiert. So nebenbei, er ist auch der Älteste in der Gruppe. Vielleicht wird er deshalb nicht (mehr) mit auf die höchsten Gipfel steigen können und Fußmärsche ein bisschen kürzer machen. Aber nun genug zum Vorspann. Gemeinsam wurde geplant: die Vorschläge dazu machte uns Ojuna, eine Mongolin mit perfekten Deutschkenntnissen, die sie an der Uni in Ulan Bator erworben und darauf ein Germanistikstudium in Heidelberg aufgebaut hat. 

Sie hat auch gute Verbindungen zu Archäologen in der Mongolei, mehrere Führungen kreuz und quer durch die Mongolei führte sie bereits durch.

An Ostern 2006 trafen wir uns dann bei Manfred und an einem Vormittag war alles besprochen:

In den folgenden Wochen besorgte Ojuna alles: Visum, Flugtickets, Hotelunterkunft in Ulaan Baatar, Eintrittskarten für das Naadamfest, das größte Volksfest der Mongolei und dieses Jahr, aus Anlass des 800. Jahrestages der Gründung des Mongolenreiches durch Dschingis Khan, besonders festlich.

Jeder bekam von Ojuna einen Reiseplan und eine Liste für die empfehlenswerte Kleidung und was sonst noch von Nöten sein könnte.

Am 9. Juli um 4 Uhr früh trafen wir uns in Deggendorf bei Manfred, und mit einem Sprinter ging's ab nach Berlin, ausgerechnet am Tag der Fußball-WM! Unsere Bedenken, vor Berlin könnte es deshalb Stau geben, waren grundlos. Rechtzeitig waren wir am Flughafen. 

Wir waren bei den ersten Schalter der Miat, der mongolischen Fluggesellschaft, und der dann endlos langen Reihe der Passagiere für Ulaan Baatar. Noch etliche Runden im Flughafengebäude, dann endlich Sicherheitskontrolle, nochmals eine halbe Stunde, dann einsteigen und das Quartier für die nächsten 12 Stunden suchen. Jetzt erst begann unsere Reise in die Gobi!

Bis auf den letzten Platz besetzt hob die Maschine, ein Airbus, ab und bald waren Häuser und Straßen kaum mehr zu erkennen. An Warschau vorbei führte die Route, südlich von Moskau direkt nach Osten. Bald sahen wir nichts mehr, einmal, weil wir doch schon schläfrig wurden, zum andern, weil's gegen die Zeit ging und es finster wurde. Das Essen an Bord war zwar gut, fand bei uns aber gar kein so großes Interesse: trotzdem half es, die Zeit des Fluges zu verkürzen. Als es draußen wieder hell wurde, waren wir schon über mongolischem Gebiet.

Nachdem die Nacht über im Flugzeug ziemlich Ruhe war, wurde es jetzt wieder lebendig. Die Stewardessen schalteten die Beleuchtung ein und auch die Fensterblenden wurden hochgeschoben: es war ja bereits hell, flogen wir doch gen Osten - gegen die Zeit. Zu Berlin ist der Unterschied .... Stunden. Wir waren schon über der Mongolei! Also aufgewacht, jetzt beginnt unsere „Expedition". Wir versuchten, aus dem Fenster am Boden irgend etwas zu entdecken: bewachsene Berge, Hügel, Täler, grau-braun, in Senken grün, an - wohl Nord-Abhängen etwas Wald. Ein kleines Frühstück wurde serviert und schon bald kam die Durchsage „wir verlassen jetzt unsere Reiseflughöhe". Also kann ja Ulaan Baatar gar nicht mehr so weit sein. Wer einen Fensterplatz hatte, konnte die jetzt grüne hügelige Landschaft sehen, allmählich mit einzelnen Jurten und kleinen Gebäuden belebt, mit Pisten als braune Bänder, oft auch drei oder vier Fahrspuren nebeneinander, die den grünen Teppich durchschnitten. Mit einer großen Schleife drehte der Airbus in Richtung Flugplatz. Jetzt konnte man eine von Autos stark befahrene Straße sehen, statt Jurten Industriebauten, auch ein Eisenbahngleis und das große Kohlekraftwerk mit rauchenden Schloten, das die Stadt - vor 10 Jahren noch mit 600 000 Einwohnern, jetzt sind es wohl schon an die 1 Million! - mit Strom und Wärme versorgt. Dafür war die Bodensicht auch gleich viel schlechter.

Der Airbus setzte perfekt auf der Landebahn auf, vorbei an zwei chinesischen Jets und einer ganzen Reihe kleinerer zweimotoriger Propellermaschinen. Schnell war angedockt, das Aussteigen ging reibungslos und wie auf jedem anderen Flughafen. Die Einreiseformulare hatten wir schon im Flugzeug ausgefüllt, mit Hand mehr oder weniger deutlich geschrieben. Bei der Eingangskontrolle ging es zügig voran, die Zettel (=Formulare) waren ruck-zuck abgestempelt (wer wird sie wohl je lesen?). Auch die Gepäckausgabe ging sehr schnell, alles war da und schon ging's zum Ausgang. Noch ehe wir uns richtig umsahen rief jemand „Hallo, da seid ihr ja!". Ojuna, unsere Reiseleiterin und guter Geist, und der Fahrer, Hurle, der uns sicher zur und durch die Gobi fahren wird, erwarteten uns schon. Im Nu war das Gepäck im Bus verstaut und los ging's in die Stadt.

Die Straße zur Stadt - ca. 8 km - ist gut ausgebaut und stark befahren, dient der Flugplatz ja nicht nur für die Verbindungen nach Deutschland, China, Russland, Japan, sondern auch für die vielen Inlandsflüge mit Propellermaschinen zu den Provinzzentren. Zu sehen ist rechts und links der Straße eine Mischung aus alter und neuer Zeit. Da grasen noch Kühe, Schafe und Pferde, daneben fährt „off road" ein Auto, dort reitet einer. Da schleppt ein Mann ein Stück Holz. Neben der Straße sind Bäumchen neu gepflanzt, aber viele sind vertrocknet. Jurten und Hütten verschwinden, zweistöckige Bauten, wohl halb Gewerbe,halb Wohnung kommen und dann sehr bald Fabrikanlagen. Nicht zu übersehen sind die dicken, weiß isolierten (zum Teil defekten) 

Heizungsrohre, welche die Stadt mit Wärme vom Kraftwerk versorgen. 20 Minuten und wir sind bei unserem Hotel, ganz neu gebaut. Es liegt am westlichen Rand des Zentrums, ganz nahe beim Gandan Kloster, dessen Besichtigung unser erster Programmpunkt ist. Also schnell die Koffer aufs Zimmer, Duschen und in 1 Stunde ist Treffen vor dem Hotel und Start in die erste Runde. Pünktlich sind alle da, 5 Minuten Fahrt bis zum Parkplatz vor der Anlage, dann 100 Meter zu Fuß zum Eingang. 

Ich will (und kann auch gar nicht) das Kloster, die Geschichte und die Bedeutung genau beschreiben, da ist es einfacher und auch genauer, wenn ein Besucher einen der vielen Artikel über diese Anlage, die in jedem Reiseführer stehen, liest. Wir nehmen nur Details auf, wie die Darstellungen auf den Stupas, die geschwungenen und geschnitzten Details und die schönen dunkelbraunen und grünen Dachziegel, die zusammen einen bleibenden Eindruck von einzelnen Tempeln geben. Da sind die Gebetstrommeln, die ständig von den Besuchern, und so weit es sich dabei um Mongolen handelt, voll Andacht gedreht werden, dort können wir einen Blick in einen kleineren Tempel werfen, in dem von Priestern eine Andacht mit Lesen von Gebeten gehalten wird, wobei die Mönche die Besucher und Betrachter gar nicht zu bemerken scheinen. Dann treten wir in den Haupttempel ein und sind überwältigt von der über 20 m hohen goldenen Buddha-Statue. Davor brennen Räucherstäbchen, Gläubige knien andächtig davor. Beim Rundgang um die Statue sehen wir in mehreren Meter hohen Regalen, die sich im Halbkreis hinten um die Statue ziehen, in ca. 40 x 40 cm großen Nischen lauter kleine Buddhafiguren, die von Gläubigen gestiftet wurden - es sind auch noch Fächer frei. Wer wird da noch Stifter werden und mit welchem Anliegen?

Tief beeindruckt - nicht nur von der Anlage, sondern viel mehr von der Frömmigkeit der Mönche und der Inbrunst ihrer Gebete kehren wir zum Bus zurück.Die nächste Station ist für uns das Museum für Kultur und Geschichte. Der Besuch soll uns einstimmen auf das, was wir in den nächsten 14 Tagen sehen und erleben werden. Etwas Geologie, Naturkunde, Besiedelung und Geschichte, Trachten und Bräuche. Kein Mongoleibesucher sollte versäumen, das Museum zu besuchen. Zwei Stunden Rundgang sind zwar anstrengend, aber bei den Exkursionen versteht man doch vieles besser.

Um uns Ulaan Baatar und seine Ausdehnung besser vorstellen zu können, machen wir noch eine kleine Stadtrundfahrt. Die Stadt liegt in ca. 1350 m Seehöhe im etwa 5 km breiten Tal des Flusses Tuul, der hier von Ost nach West fließt. Nördlich und südlich wird das Tal durch mit Gras und teilweise Lärchen bewachsene Hügelketten begrenzt, die so bis 1800 m hoch werden.  

10. Juli 2006 / Ankunft in Ulaan Baatar

Zuerst zum Hauptplatz: Suchbaatar Platz. Nördlich wird er begrenzt vom Regierungs- und Parlamentspalast mit dem Mausoleum von Suchbaatar, der 1923 ermordet wurde, aber vorher als kommunistischer Revolutionär die Mongolei in eine Volksrepublik umgeformt hatte. Zur Zeit springt er nicht so monumental ins Auge, denn davor wird, durch ein großes Gerüst verdeckt, gerade eine Statue von Dschingis Khan errichtet. Auf der westlichen Seite stehen das Rathaus und die Post, nördlich – als Abschirmung zur großen Ost-Weststraße – ist ein kleiner Park. In der Mitte des Platzes ist ein Monument aus rotem Stein. Es zeigt Suchbaatar, den roten Helden, stolz hoch zu Ross. In nächster Umgebung befinden sich dann das Theater, die Bibliothek, Universität und weitere Regierungsgebäude. Wir fahren zwei Kilometer südlich über den Tuul und dann auf einer kleinen Straße in Serpentinen ein Stück die hier schon beginnenden Berge hinauf. Etwa 200 m höher ist eine Plattform, von der man nach Süden die ganze Stadt vor sich hat. Im Westen die Kraftwerke mit rauchenden Schornsteinen, direkt im Süden das Zentrum, die vorgenannten Gebäude alle gut erkennbar, im Osten dann zunächst kleine Häuser, weiter weg mehrstöckige Bauten und Baustellen mit Kränen. Auch ein Golfplatz soll dort entstehe, ein Gebäude, es sei das Clubhaus, wird uns gezeigt. Am Südrand reicht die Stadt von West bis Ost bis an die Hügelkette heran, ja auch auf den Abhängen, die vor einigen Jahren noch Weidegebiet waren, sieht man jetzt deutlich die Bebauung. Direkt unter uns läuft der Fluss Tuul und parallel dazu sieht man das Bahngleis der Transsib und wenn man Glück hat, auch einen langen Zug, der gerade Kohle für die Kraftwerke bringt. 

Zurück im Hotel nutzen wir die Pause bis zum Abendessen zum Ausruhen, denn die Müdigkeit von dem weiten Flug und den Besichtigungen steckt schon noch in uns. Der Hunger machte uns aber doch bald wieder wach, stand doch ein besonderes Lokal auf dem Plan. Ein netter Tisch war schon für uns reserviert. Auf einer langen Theke waren verschiedenste Gemüse, fein zugeschnitten, geschnetzeltes Rind- und Lammfleisch und Gewürze angerichtet. Jeder suchte sich aus, was er haben wollte, legte es auf einen Teller und übergab es dem „Koch" - oder wie sollte man den Mann nennen, der an einem sehr heißen Stein stand und auf diesem die ihm übergebenen rohen Grundstoffe für das Mahl garte. Dazu bediente er sich eines eisernen Bestecks, das er rhythmisch auf den Stein schlug oder über den Stein schleifte. Da drei solche Köche aktiv waren, klapperte es ganz ordentlich. Schnell waren die Gerichte fertig und mit mongolischem Bier, nach Stuttgarter Art in Ulaan Baatar gebraut, schmeckte alles vorzüglich. (Vor Jahren hat es einen Stuttgarter Braumeister in die Mongolei verschlagen. Er nützte seine Chance und gründete die heute florierende Khan Brauerei). Allzu lange blieben wir nicht mehr, denn wir wollten am nächsten Morgen frisch für die neuen Erlebnisse sein.

11. Juli 2006

Heute ist das größte Fest der Mongolen: Naadam.

Was bedeutet den eigentlich NAADAM? Dieses Wort ist das Substantiv zu NADCH (ist Lautschrift) und das heißt spielen, sich freuen: also kann man sagen „heitere Spiele".

Schon seit Dschingis Khans Zeiten wird Naadam gefeiert, nicht nur in der Stadt, sondern auch in kleinen Gemeinden über das ganze Land. Ein sportliches Kräftemessen in drei Disziplinen, ein Messen der Fähigkeiten, die früher einmal zum Überleben sehr wichtig waren: Ringen, den Gegner ohne Waffen besiegen, Bogenschießen: Treffsicherheit auf den Jagd - und natürlich auch im Kampf mit dem Gegner - Reiten: hier steht aber das Pferd in der Prüfung auf Schnelligkeit und noch mehr auf Ausdauer und Zähigkeit. Inzwischen hat sich die Landesmeisterschaft herausgebildet und die wird natürlich in Ulaan Baatar abgehalten, ihn dem eigens dafür geschaffenen Stadion, das gar nicht so weit vom Stadtzentrum entfernt ist.

Also, der Besuch - oder besser das Erleben dieses Festes steht heute auf dem Programm. Schnell wird gefrühstückt und dann geht's mit dem Bus zu den Parkplatzfeldern. Natürlich wusste unser Fahrer einen kleinen, nicht so ganz offiziellen Platz, der am nächsten zu unserem Tribünenplatz lag. Von dort ging's gleich ins Gedränge: alle versuchten zu „ihren" Eingängen zu kommen und vor dem Einlass standen schon ganze Trauben von Besuchern, die darauf warteten, zu ihren Plätzen zu kommen. Durch unsere Führung - Ojuna war ja bei uns - waren wir schnell am richtigen Eingang und konnten uns dann auch die besten Plätze auf der Tribüne sichern. Das Station ist so ca. 2 Fußballfelder groß, oval, an einer Längsseite steht die große Tribüne für die „Offiziellen", den Staatspräsidenten, die Regierungsmitglieder, den Bürgermeister mit den Stadträten, das diplomatische Corps und die sonstigen Ehrengäste. Um das ganze Oval herum sind feste Tribünen. Die der großen Ehrentribüne gegenüberliegende Längsseite ist für die Musikkapelle und die Sänger (ich habe beide auf mehr als 300 Personen geschätzt).

Um die Innenfläche mit Rasen führt eine ca. 8 m breite Piste. Dort standen, als wir unsere Plätze einnahmen, schon Schulter an Schulter Mongolinnen und Mongolen, alle in Tracht und junge Mädchen in pinkfarbenem Dress mit einem kurzen hellblauen Rock.

So wie man heute (vielleicht nachgemacht) bei den Olympiaden mit einer Show beginnt, so sind auch vor Beginn der sportlichen Wettkämpfe zur Eröffnung einige Darbietungen aus der Geschichte der Mongolen und dem, was bei der Jugend heute „in" ist. Schnell waren die Tribünen voll besetzt und das Fest begann. Die Kapelle intonierte die Nationalhymne, die wohl 1000 Sänger, die um das Oval standen, sangen mit. Da zogen Reiter in kriegerischer Ausrüstung auf der Piste vorbei und - von Ochsen gezogen - der Wagen mit Dschingis Khans Jurte. Der Staatspräsident erklärte das Fest für eröffnet, die pink-hellblauen Mädels liefen in die Arena, wohlgeordnet nach einer sicher schon lange einstudierten Choreografie. Die ganze Arena war erfüllt von den hellbau-pink-farbenen Tänzerinnen, die mit den verschiedensten Figuren die ganze Fläche in ein im Wind sich bewegendes Feld verwandelten.

Es war schon sehr eindrucksvoll ihre Darbietung, begleitet von der Musik des großen Orchesters, anzusehen: man spürte die Begeisterung, mit der sie ihr Programm bewältigten und diese Begeisterung sprang auf alle Zuschauer über. Ein Sänger trug dann mit der Obertonstimme etwas vor, eine Horde wilder Krieger galoppierte ein und pflanzte in der Mitte des Stadions die Standarte ein - und jetzt konnte der Wettkampf beginnen!

Die Ringer, die sich inzwischen rings um das Oval fertig gemacht hatten, gingen mit den Schiedsrichtern in Gruppen zu ihren Plätzen. Wer seinen Gegner zu Fall bringt ist Sieger; manchmal geht es ganz schnell, bei erfahrenen Recken kann's manchmal auch eine ganze Weile dauern. Der Sieger eines Zweikampfes verlässt den Platz mit einem -- für uns Europäer - recht eigenartigen Gang: ausgebreitete Arme, Beine weit gespreizt, von einem Bein auf das andere fest aufstampfend: das soll den Adler symbolisieren, wenn er seine Beute geschlagen hat und wieder auffliegt.

Da wir ja die einzelnen Ringer nicht kannten, verließen wir das Stadion (nicht so die Mongolen, die ja ihre Champions kannten und ihre Favoriten entsprechend anfeuern mussten) und gingen zu den Bogenschützen. Eine Disziplin für Frauen und Männer, die Frauen schießen nur auf eine etwas kürzere Distanz. Der Schütze (bzw. die Schützin), jeweils in korrekter mongolischer Tracht, steht in voller Konzentration, zielt über die Hand, der angelegte Pfeil schaut aber gen Himmel, die Sehne ist losgelassen und der fast am Boden liegende Klotz - das Ziel - ist getroffen! Das Alter der Schützen geht wohl so bei 20 los, mit offenem Ende nach oben! Einen Teilnehmer schätzte ich auf wohl etwas über 70, ganz ruhig und gelassen ging er es an - und traf jedes Mal. Als Highlight organisierte Ojuna dann noch ein Interview mit einem Meister. Er erklärte uns alles über den Bogen, die Sehne und natürlich auch die Pfeile (N.B. dies veranlasste Manfred auch gleich zum Kauf des Bogens, mit dem der Meister ein Jahr zuvor gewonnen hatte).

Damit war der Tag mit den ersten beiden Wettkämpfen für uns zu Ende mit so vielen Eindrücken über die Begeisterung der Mongolen für ihr Naadam Fest, bei dem nicht - wie in der westlichen Welt - der Mammon eine so große Rolle spielt, hoch bezahlte Künstler bei der Eröffnung auftreten, ein teurer Regisseur die Regie führt und auch die Teilnehmer bezahlt werden. Freude, mitmachen zu können oder zu dürfen, ist allenthalben zu spüren.

Der Tag ist beendet, aber der Abend stand ja noch bevor: Essen in einem typischen Lokal Ulaan Baatars: Auf einem langen Tisch in dem rustikalen Lokal warteten die verschiedensten mongolischen Gerichte, die sich jeder selbst aussuchen konnte, dazu Hammelfleisch vom Grill. Aber noch etwas besonderes gab es: zwei Musiker ließen uns ihre Kunst auf der Pferdegeige hören. Und nicht nur die Ohren sollten erfreut werden, es gab auch etwas für die Augen: zwei sehr junge Künstlerinnen zeigten uns, wie ein Akrobat nicht nur Handstand - aber auf einem Arm - und Brücke rückwärts beherrscht, sondern wie man Beine, Arme und Kopf verknoten kann und hinterher trotzdem wieder normal stehen und sich für den wohlverdienten Applaus bedanken kann.

Nachdem wir satt waren ging's schnell zum Hotel und ins Bett, denn für den nächsten Tag war am Vormittag das Pferderennen vorgesehen und noch eine Überraschung danach.

12. Juli 2006

Um 7 Uhr war Hurle, unser Fahrer, pünktlich vor unserem Hotel, um uns an einen guten Beobachtungsplatz für das Pferderennen zu bringen. Los ging's und schon waren wir in einer Autokolonne, die sich noch recht zügig bewegte. Für die rund 20 km waren ca. 90 Minuten kalkuliert. Ob dies ausreicht fragten wir uns, als das Fortbewegungstempo zu „stop and go" wechselte. Die Hälfte der 600.000 Einwohner von Ulaan Baatar  schien auf dem Weg zu sein. Fast an unserem Ziel angelangt, ging es nicht mehr vorwärts, die Zufahrt zu den Parkplätzen war verstopft! Hurle wusste sich zu helfen: er fuhr halt gleich querfeldein!

Wir waren in leicht hügeligem Gelände, die Rennstrecke war in einer leichten Senke - fast eben und von den Hügeln prima einsehbar. Abgegrenzt war die Strecke durch eine Postenkette des Militärs, so im Abstand von 200 m stand ein Soldat. Von unserem Beobachtungspunkt konnten wir auch das Ziel - ca. 300 m entfernt - gerade noch sehen. So konnten wir fast 1000 m weit erkennen, wie die Rennpiste verläuft.

Neben uns waren Mongolenfamilien: Opa und Enkel genauso wie Vater und Mutter. Das Rennen ist eben eine Sache für die ganze Familie. Jetzt wird es unruhig und alle schauen in die Richtung, aus der die Pferde kommen müssen. Ganz weit ein paar Punkte und eine Staubfahne. Nicht lange dauert es und schon sind die ersten Pferde da, eines an der Spitze, dicht gefolgt von einer kleineren Gruppe, zwei drei Pferde eng zusammen, dann ein kurzer Abstand und die nächsten folgen. Die doch sehr jungen Reiter, wohl so etwa 10 Jahre alt (oder auch jünger), treiben ihre Pferde mit Stöcken zu noch mehr Leistung an, denn sie sind ja schon im Finish, vielleicht noch 500 m bis zum Ziel. Da stürzt ein Pferd, überschlägt sich und bleibt liegen, nur der Reiter steht unverletzt auf. Ein paar Männer laufen dazu, aber das Pferd steht nicht mehr auf, ihm war die Anstrengung zu viel gewesen. Das lange Training, das der Besitzer mit ihm gemacht hat, war umsonst, und bei diesem Rennen wird ja nicht der Reiter, sondern das Pferd gewertet. Der Erfolg gehört dem Züchter. Eine wirklich harte Auslese der Zucht.

13. Juli 2006

Die Reise in die Gobi geht los. Um 6 Uhr steht der Bus vor dem Hotel. Er wird beladen mit unserem Gepäck, mit Essen, Wasser, Decken, Sonnenschutz. Ein paar Dinge kaufen wir noch in einer um diese Zeit  etwas verschlafenen Seitenstrasse. Die Fahrt geht westlich auf löchrigen Asphaltstraßen durch das Industriegebiet – Kraftwerk. Und dann hügeliges Land - grün, entlang des Flusses Orchon. Holzhütten und Behelfsbauten verschwinden, dafür sehen wir Jurten mit Schafen, Ziegen, Pferden und Kühen. Die „Zivilisation" wird dünn.

Mittagspause ist am Flussufer geplant, die Straße wird verlassen, und schnell ein schöner Platz gefunden. Aber schon beim Auspacken fallen Myriaden von Mücken über uns her: schnell alles wieder ins Auto und weiter. Die Straße führt vom Tal auf Anhöhen. Dort weht ein „Lüfterl" - das passt den Mücken nicht, aber uns! Nach einer 1-stündigen Rast und einem von unseren Betreuern vorbereiteten Imbiss geht es weiter,unserem heutigen Ziel in einem Camp in den Kögno Khan Bergen entgegen. Nach 2 Stunden gibt es einen kurzen Abstecher von der Straße auf einen der jetzt rechts und links unserer Route liegenden freistehenden und mit Felsspitzen versehenen Hügel. Natürlich, voller A benteuer- und Erlebnisdrang erfüllt, müssen wir auf einen Felskopf hinauf! Wir haben eine herrliche Sicht nach allen Seiten und im Süden sehen wir zwischen den Hügelköpfen auch schon unser heutiges Ziel: das Kögno Khan Gebirge, dessen höchster Berg .... m ist, also etwa ...?. über unserem Niveau, denn wir bewegen uns von Ulaan Baatar aus  immer etwa auf der gleichen Meereshöhe von knapp 1400 m.

Das Wetter meint es gut mit uns: ein bayerischer Himmel, blau mit kleineren weißen Kumuluswolken; die Temperatur ist auch ideal, so bei 18 - 20° C.

Dann geht es weiter, 50 km auf der Asphaltstraße, dann rechts ab ca. 5 km in einen von felsigen Bergspitzen umgebenen Talkessel. Angekommen in dem kleinen Camp mit 12 Jurten beziehen wir - 6 Touristen, unser Fahrer und natürlich unsere Führerin - jeweils 2 in einer Jurte, in der aber 4 Personen Platz hätten - unser Quartier. Die Wasch-  und Toilettenanlage ist sauber, Wasser gibt es auch: also der Staub des ersten Reisetages wird abgewaschen, frische Wäsche. Aber was tun wir jetzt; bis zum Abendessen haben wir ja noch 2 Stunden Zeit. Unser Tatendrang ist nicht zu bremsen, also zu Fuß noch eine halbe Stunde Wanderung zum Kloster. Ein kleiner Bau über den Ruinen des alten Klosters, das vor der Zerstörung durch die Kommunisten so ca. 80 x 100 m Fläche hatte, Ovgont Kloster Batukhan. Dieser kleine Tempel dient jetzt wieder für religiöse Zeremonien.

Zurück im Camp ist der Hunger groß und wir bekommen eine gute Suppe, gebratenes Schaffleisch mit Salat und Nudeln und zum Nachtisch ein Stückchen Kuchen. Tee gibt's reichlich, Bier aus der Khan-Brauerei in Ulaan Baatar, das so gut schmeckt, wie Bier zu Hause.

14. Juli 2006

Am nächsten Morgen ist wieder Kaiserwetter. Also steht für den Vormittag Bergwandern auf dem Programm. Unsere 4 Bergfexen sind gleich auf 2 Gipfel gestiegen, der Schreiber, der sich zu Hause bei dem Schneechaos im Februar 2006 eine Auszeit eingehandelt hat, begnügte sich zusammen mit Uschi (seiner Frau) mit einem Sattel mit herrlicher Sicht in das nächste Tal. Sämtliche Blümlein, die in allen Farben blühten, wurden fotografiert. Einige Greifvögel beobachteten wir beim Fliegen, besser gesagt Segeln, und dann wie sie stolz auf einem Felsköpfchen Ausschau halten.

Baumbewuchs ist spärlich: kleine Birken kämpfen ums Bestehen, ansonsten nur Strauchwerk. Eine uns bekannte Pflanze - allerdings in kleiner Ausgabe - scheint sich wohl zu fühlen: Rhabarber!

Um 12 Uhr waren alle wieder im Camp. Unser Fahrer „Hurle" hatte schon unser Gepäck verstaut. Nach einem Imbiss in der „Restaurant"-Jurte ging es ca. 20 km weiter zu den Elsen Tasarhai Dünen. Ein paar 100 m von der befestigten Straße entfernt halten wir und stapfen in den Sanddünen: feinkörniger, goldgelber Sand, dazwischen halbdürre Sträucher. Am Rande der Dünen „grasen", besser knabbern Schafe und Ziegen und ein paar Pferde ziemlich dürre Kräuter. Die Sonne brennt ganz schön vom Himmel und so halten wir uns in den „nördlichsten Dünen" nur kurz auf. Unser heutiges Ziel, Charchorin - Karakorum, ist ja auch noch ein paar Stunden entfernt. Es geht weiter durch hügelige Steppe, ab und zu kleine Schaf- und Ziegenherden und Pferde, die in Gruppen von 6 bis 10 Tieren eng beisammen stehen, manchmal in schlammigen Pfützen, eng gedrängt und heftig mit den Schweifen gegen die Mücken schlagend. Ein-zweimal begegnet uns ein Jeep, einen überholen wir: er steht mit Reifenpanne hoch beladen, fünf oder sechs Leute stehen herum, aber einer bemüht sich, das Vehikel wieder in Fahrt zu bringen.

Die Straße führt über eine kleine Anhöhe, da muss gestoppt werden, steht doch da ein Ovo: also 3 x im Uhrzeigersinn herum gehen, einen Stein darauf legen und sich gute Fahrt wünschen. Ein weiß-blaues Band -- kommen wir doch aus Bayern - wird bei den vielen schon flatternden Stofftüchern befestigt. Dann geht es weiter durch hügeliges Gelände, das allmählich grün wird: wir nähern uns unserem Ziel. Der Ort und das Klostergelände von Erdenettshun tauchen in der Ferne auf.

Unser Camp liegt auf der südlich des Ortes sich hinziehenden Hügelkette. Wir sind angemeldet (Ojuna, unsere Führerin, Organisatorin und Chefin hat ja, wie schon bisher, alles vorbereiten lassen), unser Gepäck wird auf die Jurten verteilt. Schnell in den Badejurten frisch gemacht und dann Kriegsrat gehalten: morgen ist ja Naadam-Fest in Karakorum. Die Fahrt ging schneller als gedacht, so haben wir noch Zeit und hell ist es auch noch: also die Klosterruinen oder besser das Klostergelände und die wieder aufgebauten Tempel und Gebäude heute noch besichtigen! Liebevoll hergerichtet und gepflegt sind die, in denen Zeremonien stattfinden. Wir treffen auch ein Mongolen-Paar in voller Tracht und das ist natürlich Anlass, die Auslöser der Fotoapparate fest klicken zu lassen. Die örtliche Führerin erklärt uns so alles vom und über das Kloster und dessen Geschichte, aber das bleibt nicht hängen, also Prospekt kaufen und dann zu Hause nachlesen! Noch haben wirt eine Stunde Zeit bis zum Abendessen: also weiter zu den Ausgrabungen für die Suche nach Chingis Khan's Palast: aber da haben wir Pech, denn bis Ende August (Ende der „Regenzeit") wird nicht gegraben und geforscht. Dafür inspizieren wir eine fast 100 m langen Reihe von Andenken-Verkaufstischen. Alles wird feil gehalten: Andenken, Kitsch, schöne Kleinkunst und so manches (vielleicht auch echtes) Fundstück. Zurück ins Camp, Abendessen und nun doch recht müde ins Bett!

15. Juli 2006

7.30 Uhr Frühstück, 8.00 Uhr ab zum Naadamfest. Vor dem Ort am Ufer des Orchon-Flusses erstreckt sich weit nach Norden eine Ebene, mit Gras bewachsen. Von allen Seiten kommen Pkw, Jeeps und betagte Laster angefahren. Die Polizei weist Plätze für die Fahrzeuge zu. Reiter kommen auch von allen Seiten. Gezählt habe ich sie nicht: 200 bis 300 waren es bestimmt, es können aber auch viel mehr gewesen sein. Der Festplatz von der Größe eines Fußballfeldes war von drei Seiten mit Tribünen umgeben. Reges Treiben, Jugendliche in bunten Gymnastikanzügen (blau/pink) liefen aufgeregt umher, viele Reiter in mongolischer Tracht oder schon in der Ringer-Kleidung liefen herum. Dann so um 10.00 Uhr marschierte die Polizei in Uniform - vorweg ein weiblicher Offizier - ein; Reden, die Nationalhymne und schon war das Fest eröffnet. Krieger zu Pferd zeigten ihr Können. Dann aber ging es mit dem Ringen los: Kämpfe, ein bisschen ungleich: ein 150 kg Koloss, bereits in früheren Kämpfen mehrfacher Sieger, gegen einen schlanken Neuling mit vielleicht 60 kg! Aber jeder muss halt mal anfangen. Diesmal machte meistens der alte Recke als Sieger den Adlerflug. Fachmännisch gaben Zuschauer zu Pferd, also mongolische Zuschauer, die hinter oder zwischen den Tribünen alles begutachteten, ihre Kommentare, die uns unsere Ojuna übersetzte.

Weil wir ja keine Champions anzufeuern hatten, konnten wir uns ausklinken und uns bis zum nachmittäglichen Pferderennen einem anderen Höhepunkt widmen: dem mit heißen Steinen zubereiteten Mittagessen am Flussufer. Schnell war ein Feuer gemacht, die richtigen faustgroßen Steine gesammelt und in die Glut gelegt. Als sie richtig heiß waren, kamen sie mit dem Hammelfleisch, Kartoffeln und Gemüse in eine große, fest verschließbare Milchkanne. Nach 40 Minuten war die Spezialität gar und wir alle ließen es uns gut schmecken. Dann zurück zum Festplatz: jetzt wurden die ersten Rennreiter erwartet. Tatsächlich sahen wir schon bald eine Staubwolke nahen und die schnellsten Pferde kamen recht erschöpft mit ihren so arg jungen Reitern an.

Der Besuch einer Nomadenfamilie stand noch auf dem Programm: also ab in die Berge. Eine halbe Stunde Fahrt. Bei zwei Jurten wurden wir von den Frauen und Kindern herzlich begrüßt. Die Männer waren natürlich noch nicht vom Naadamfest zurück. Wir tranken Tee mit Rahm „Buttertee" (bei Sven Hedin hieß er so, denn der Rahm wird eingedickt bis er fast die Konsistenz von Butter hat) und probierten frischen Käse, der zum Trocknen auf dem Dach der Jurte lag. Hurle, unser Fahrer, drehte mit dem einzigen zurückgebliebenen Pferd eine Galopprunde. Beim Melken der Stuten sahen wir zu und konnten auch etwas Kumis probieren. Dann zurück nach Karakorum, aber über einen kleinen Umweg. Es war noch ein neueres Monument zu besichtigen, das die Geschichte Dschingis Khans und dessen Reich zeigt. Es steht auf einem Hügel, der das Orchon-Flußtal südlich von Karakorum abschließt. Es ist sehenswert und eindrucksvoll und passt gut in die Landschaft. Dann schnell zurück ins Camp und Abendessen: Suppe, Fleisch, Reis, Salat, ein Stückchen Kuchen und zum Hinunterspülen des ganzen Staubes einige Dschingis-Halbe (und natürlich auch Tee für die, die ihn unbedingt trinken wollten). Dann schnell ab in die Betten, denn am nächsten Tag wird ja das Abenteuer „Durch die Gobi" anfangen.

16. Juli 2006

Von Karakorum nach Süden Richtung Gobi

7 Uhr Aufstehen, Duschen, Koffer packen und um 8 Uhr gemeinsames Frühstück: Tee, Kaffee, Rührei, Brot und Marmelade. Fix ist alles verladen und Hurle braust mit unserem Geländebus los. Schnell wird noch vollgetankt, wer weiß, wann es wieder Benzin gibt. Bald haben wir keine Straße mehr, nur noch Piste und der nächste Ort liegt dann erst zu Füßen der Altai-Berge etwa .... km südlich. Essen und Trinkbares ist auch verstaut. Man weiß ja nicht, was uns erwartet.

Das Wetter hat umgeschlagen, die Wolken hängen tief und es regnet leicht. Nach rund einer halben Stunde Fahrzeit stoppen wir, denn da ist nicht weit ab vom Weg ein Kloster, das wieder  von ein paar Mönchen betreut wird. Shankh Barum Khuren. In der kommunistischen Zeit hatten die letzten Mönche die altehrwürdigen Gegenstände, Bilder, Fahnen und Buddhastatuen bei Familien versteckt. Jetzt führt uns ein Mönch, den Ojuna für uns in der Nähe aufgespürt hat und erklärt uns alles in fließendem Englisch.

Dann geht's weiter; Weg und Wetter werden schlechter, jetzt regnet es kräftig. Der „Weg" ist nur noch eine Piste, die beiden Spuren für die Reifen sind schmierig, teilweise steht Wasser drin. Das Gelände ist jetzt eben und mit spärlichem Grasbewuchs. Die Sicht ist auch schlecht, vielleicht 500 m, weder rechts noch links kann man Berge erkennen, an denen sich unser Fahrer Hurle hätte orientieren können. Solange nur eine Spur da ist, ist es einfach, aber plötzlich zweigt eine Spur nach rechts, eine nach links ab. Jurten und Schafherden sind nicht zu sehen; doch halt: rechts ist in einer kleinen Senke der sparsame Bewuchs grüner und dort ist eine Jurte zu erkennen. Also dann lieber die rechte Spur wählen, scheint sie doch etwas öfter befahren zu sein. In weiter Entfernung sind in leichtem Nebel Telefon- oder Strommasten zu erkennen. Also diese Richtung. Aber dann wird die Piste so schlecht, dass wir doch zur alten Spur zurückkehren. Eine kurze Rast im Wagen, Tee und Sandwich, dann geht's weiter. Die Piste wird besser, der Regen hat aufgehört. Eine Hügelkette taucht auf und ein schon recht verwittertes Hinweisschild für ein Camp steht einsam in der Gegend. Hurra, wir haben unser Zielgebiet gefunden! Noch ein paar Kilometer und wir sind in unserem Camp, das noch sehr jung und deshalb auch sehr ordentlich ist. Wir wollen, nachdem wir unsere Jurten „bezogen" haben, nach dem langen Sitzen im Bus uns noch etwas die Beine vertreten und die Gegend erkunden. Die umliegenden Hügel haben kaum Vegetation. Wir sammeln so verschiedene Steinchen, rot, weiß, schwarz. Zurück im Camp sagt uns Ojuna, dass wir noch das Klostergelände Ougyn besichtigen können. Die örtliche Führerin erklärt uns alles: die ehemalige Größe der Anlage und dass einmal 1000 Mönche dort lebten. Einzelne Gebäude sind soweit ausgegraben, bzw. die Steine wieder aufgerichtet, dass man ob der einstigen Größe nur so ins Staunen kommt. Am höchsten Punkt, an einem Berghang steht ein Tempel, in dem 2 Mönche gerade eine Andacht feiern. Die dauert nicht mehr lange und wir können in den kleinen Raum eintreten. Die Mönche sind sehr nett und einer lässt uns durch die Dolmetscherin bzw. Führerin sagen, es wäre vielleicht doch gut, wenn sie für uns noch eine kleine Andacht mit einem Gebet für unsere Weiterfahrt durch die Gobi hielten. Nun, man weiß ja nie, und wir sagten zu.

Zurück im Camp das Abendessen: Reis, gebackenes Fleisch, Salat, zum Abschluss noch ein Stückchen Kuchen. Dann ab ins Bett, denn am nächsten Tag würde wohl die schwierigste Fahrstrecke auf uns warten.

17. Juli 2006

Vom Camp weg war die Piste schon wieder fast wie bei uns daheim ein guter Feldweg. Es war recht kühl und vom Himmel fielen schon wieder die Tropfen. Am Rande des Fahrweges lief in einer ausgewaschenen Rinne Wasser, wo gestern alles trocken und sandig war. Nun ja, ein bisschen Wasser kann ja in der Wüste nicht schaden, dachten wir. Die Fahrt ging so 2 Stunden lang durch hügeliges, fast kahles Gelände, teils mit rotbraunem Fels, teils mit großem oder kleinerem Schotter. Dann wurde es eben, die Sicht wegen der ganz tief hängenden Wolken schlecht, der Weg zur Piste, die Piste zur Fahrspur mit mehr oder weniger tiefen Löchern, die mit Wasser gefüllt waren. Noch dazu war die Spur ganz schön schmierig! Immer wieder führte mal eine Spur nach rechts, eine nach links. Welche ist die richtige? Zu tiefen Schlammlöchern hieß es schnell ausweichen, darin war Hurle Meister aber wir mussten uns dann schon festhalten.

Der Weg wurde besser, aber kurz darauf ging er nicht mehr weiter, blanke Felshügel versperrten den Weg. In einer Einbuchtung waren einige Jurten, bewohnt waren sie wohl, das schlossen wir daraus, dass alles kreuz und quer herumlag: ein Schrottauto, alte Reifen, ein Paar Fässer. Tiere waren wohl irgendwo im Gelände, denn Mist war auch überall. Irgendwo tauchte dann ein recht verwegen aussehender Mongole auf. Also Konferenz über den besten weiteren Weg. Aus der Gestikulation konnten wir dann entnehmen, dass es wieder einmal nach rechts abging. Nun, wir schauten und schauten, sahen aber keine Piste, ja nicht einmal Fahrspuren: nur steinige Hügel mit mehr oder weniger großen Einschnitten. Aber tatsächlich, da mussten wir durch! Wir unerfahrenen Europäer meinten, da geht's ohne Achsbruch, Umwerfen oder Festsitzen bestimmt nicht weiter! Aber Hurle schaffte es! Bald waren wir auf dem höchsten Punkt angelangt und hielten Ausschau: ganz im Westen vor uns war am Himmel ein Silberstreif, der Regen hatte auch aufgehört. Also kann ja jetzt bis zum Tagesziel nichts mehr passieren - dachten wir. Weiter ging's bergab jetzt etwas schneller aber noch genau so wackelig, schnell in entsetzlicher Schräglage einen Felsen umfahren. Zweimal durchqueren wir trockene Bachtäler, in denen vielleicht einmal Wasser geflossen ist, aber jetzt war alles trocken. Dann finden wir wieder eine Spur und flott geht's auch mal im zweiten oder dritten Gang vorwärts. Aber was ist das: plötzlich sackt der Bus auf einer Seite ein, wir sitzen im Sand fest! Alles raus und schieben! Das ging nochmals gut! Hurle wird noch vorsichtiger. Mehr oder weniger fester Sandboden, dazwischen halb durch wadenhohe kleine Büsche. Eigentlich müssen wir weiter nach links (Süden), aber da führt kein Weg hin. So in ca. 2 km sehen wir einen Jeep stehen. Schnell sind wir dort. Der Fahrer erzählt, sein Wagen sei kaputt und er müsse warten, bis er geholt wird, wir könnten ihm auch nicht mehr helfen. Jetzt haben wir eine Piste, die auch in unsere Richtung zu führen scheint. Hurle sagt uns, dass wir in ein paar km zu einem Wasserlauf mit einer Furt kämen, durch die wir unbedingt müssen. Tatsächlich, da war ein Wasser, aber kein Bach, sondern ein Fluss, in dem Büsche und kleine Bäume schwammen! Bei uns ging die Autospur ins Wasser und am anderen Ufer - mehr als 50 m weiter - führte sie wieder aus dem Wasser heraus! Da durch?? Also wo anders versuchen. Flußab soll eine bessere (breitere) Furt sein. Also weiter. Aber da sah es auch nicht anders aus. Wir hatten noch gar nicht angefangen zu überlegen, wie wir durchkommen, da hörten wir schon andere Jeeps und Kleinbusse, die aus ganz anderen Richtungen ankamen. Alle schauten recht hilflos, die mongolischen Fahrer hielten Kriegsrat: nur „Warten, bis das Wasser weniger wird", war das Ergebnis. Aber bis jetzt stieg es nur. Es fing schon zu dämmern an, aber im Westen Abendrot! Also morgen geht's bestimmt weiter. Wir machten uns Feuer, kochten Tee und verzehrten unseren Proviant. Eine Gruppe Franzosen, die auch festsaßen, kamen zu uns. Wir unterhielten uns recht gut am Feuer und sangen gemeinsam.

Für das nun unvermeidliche Nachtlager waren wir gerüstet: 3 konnten im Wagen Quartier beziehen, 4 in Schlafsäcken und Decken neben dem Auto. Die Zeltstangen mussten wir nicht aufspannen, der Regen hatte aufgehört. Mit einem Stoßgebet, dass bis morgen das Wasser zurückgehen möge, schliefen wir ein.

18. Juli 2006

5 Uhr früh: Noch war es dämmrig, aber so arg bequem war das Nachtlager auf der Sitzbank im Bus doch nicht. Sterne waren keine zu sehen, aber Regen fiel auch nicht - also ist das Wasser im Fluss doch vielleicht zurückgegangen. Leise raus aus dem Bus (die Blase drückte übrigens auch) und zum Ufer runter: tiefer unten war der Wasserspiegel schon - aber wie viel? Der Wasserlauf war schon noch ein richtiger Fluss.

Wir waren ein bisschen abseits der eigentlichen Furt, an der sich über Nacht noch mehrere Kleinbusse und Jeeps eingefunden hatten. Also die paar hundert Meter dort hin, das tat gut gegen die doch noch etwas steifen Glieder. Die mongolischen Fahrer waren schon fest am diskutieren. Unser Fahrer Hurle war auch dabei und sagte uns, dass es so in 2 bis 3 Stunden gewagt werden könne, durchs Wasser zu fahren. Es wurde im Osten hell, Wolken waren zwar noch vor der Sonne, aber der Morgen versprach doch besseres Wetter. Zurück zum Bus. Auch die drei „Schlafsack-Nächtiger" waren auf. Dank unserer Ausrüstung hatten sie nachts nicht gefroren und auf unserem Teppich, der Picknickunterlage auf dem weichen Sandboden gut geschlafen. Unsere Ojuna hatte eben für alles gesorgt! Auch jetzt: Frühstück Tee und Kekse! Hurle machte inzwischen den Bus startklar und wir fuhren zur Furt. Wir wollten möglichst bei den ersten Fahrzeugen sein, denn bis zu unserem nächsten Ziel waren es doch 8 bis 10 Stunden!

Ein Mongole, der die Furt wohl besonders gut kannte, versuchte die Durchquerung zu Fuß: Bis zu den Knien, ja noch etwas höher, reichte das Wasser. Nach zehn Metern kehrte er um, ging zu seinem Fahrzeug, stieg ein und startete. Der Wagen tauchte ganz schön ein, und als das Wasser bis zur Kühlerhaube ging, mussten wir ganz fest die Daumen drücken: Mit einer Zick-Zack-Fahrt erreichte der Jeep das andere Ufer. Noch ein Fahrzeug vor uns und dann los! Hurle wählte eine etwas andere Strecke, denn die Ausfahrt auf der anderen Seite des Flusses sah dort nicht so gefährlich steil aus. Kommen wir durch? Festes Gottvertrauen war jetzt angesagt. Es ging gut und wir waren erleichtert, hatten wir doch wieder festen Boden unter den Rädern. Am Ufer angekommen warteten wir nicht lange, denn auch die folgenden Fahrzeuge kamen durch.

Nach ein paar Kilometern sahen wir zur Linken (nördlich) unserer Route, die durch leicht hügeliges Gelände aus verwittertem roten Sandstein führte, eine begrünte Fläche. Ojuna erklärte uns, dies sei der Saxaulwald, den wir wegen der verlorenen Zeit nicht aufsuchen konnten. Bei diesen nur hier vorkommenden kleinen Bäumen hat man fast den Eindruck, es handle sich um „natürliche" Bonsai von Bäumen, wie wir sie kennen. Nach ca. 1 Stunde erreichten wir das Camp, das eigentlich unsere Station gewesen wäre. Von dort sieht man in einer Entfernung von 2 km die "Flamming Cliffs" - ein Bergmassiv aus rotem Sandstein. Dorthin wollten wir. Hätten wir unseren Zeitplan einhalten wollen, dürften wir den Abstecher gar nicht machen. In diesem Gelände wurden ja erstmals versteinerte Überreste von Saurieren gefunden: diese Stelle zu sehen wollten wir natürlich nicht versäumen! In die Gobi und keine Saurier entdecken: das geht nicht. Das Benzin wird zwar auch schon knapp, sagt Hurle, aber es wird schon ausreichen. Ab von der Piste und so nahe wie möglich zu den Felsen. Zwar sieht die Spur recht gut aus, aber weit geht es nicht, der Boden ist noch so durchweicht, dass unser Bus immer wieder einbricht und droht, stecken zu bleiben. Also zu Fuß noch 1/2 Stunde weiter. Bergauf, Felsbrocken und Geröll! Der Schnellste aus unserer Gruppe ruft plötzlich „hierher". Da liegen die versteinerten Reste der Urweitechsen nur so herum: Teile eines Beckens, Schenkel- oder Armknochenstücke. Kugeln = Eier!! Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Bei den Knochenstücken erkennt man ganz deutlich die äußere Schale, die aus Kalk aufgebaut war, während das Innere nur durch Sandstein ersetzt wurde. Alles ist ziemlich weich an den Rändern; Der Regen der letzten Tage hat fest zur schnellen Vergänglichkeit beigetragen. Gerne hätten wir hier noch einen ganzen Tag weiter gesucht. Dies war aber nicht möglich, hatten wir doch durch das schlechte Wetter zu viel Zeit verloren. Trotzdem, die Eindrücke, die wir gesammelt haben, sind unvergesslich. Auf Fotos haben wir für uns alles bestens festgehalten.

Auf dem Rückweg zu unserem Bus sehen wir am Horizont auf einem sicher einen Kilometer entfernten Bergrücken die anderen Touristenbusse, deren Insassen nur von dem erzählt bekommen, was wir „mit Anfassen" erleben konnten.

Die Fahrt geht weiter in die nächste Ortschaft, in der eine Tankstelle ist, die auch Benzin hat. Weit wären wir mit unsermBenzinvorrat im Tank nicht mehr gekommen und selbst Hurle gab zu, dass es ihm mit einem vollen Tank wohler ist. Gleich sind wir von einer Schar Kinder umringt; einige Polaroid-Fotos lassen sie doch recht staunen, unsere schwarz-rot-goldenen Kappen machen ihnen große Freude. Der Ort hat einen kleinen Laden und so ergänzt Ojuna gleich wieder unseren Vorrat an Wasser und Keksen. Dann geht's weiter nach Süd-Osten. Im Süden tauchen die ersten Berge des Gobi-Altais auf: langgezogene Bergketten. Unsere Piste geht ziemlich eben, immer parallel zu den Bergen, sie ist auch recht gut. Flott kommen wir voran. Der Boden ist dunkelgraurot, nur ganz spärlich mit kleinen Gräsern und Blattpflanzen bewachsen. Trotzdem sieht man doch wieder da und dort eine Jurte, einzelne Pferde und kleine Herden von Schafen und Ziegen. Inzwischen scheint die Sonne recht kräftig, im Bus wird's ganz schön warm. „Jetzt ist es nicht mehr weit", sagt Ojuna als ich mir ein paar Schweißtropfen von der Stirn wische. Es geht auf die Berge zu und schon sind wir auf der ersten Anhöhe und bei unserem Camp. Es ist gut angelegt: Auf einer Seite ein Wirtschaftsgebäude mit Speiseraum, dann in 4 Reihen die Gästejurten und auf der anderen Seite Waschräume mit Duschen und WC. Schnell sind uns die Jurten zugeteilt, das Waschzeug ausgepackt und ab unter die Duschen. Bis zum Abendessen ist noch Zeit und wir erkunden die Umgebung, Drei Hügel, auf denen steinerne Tiere stehen: ein Steinbock, ein Argali und ein Adler. Das Abendessen schmeckt uns besonders gut: Suppe, Hammelfleisch, Reis und Salat. Auch Bier rinnt durch die durstige Kehle. Lange bleiben wir nicht auf, denn nach der letzten Nacht im Bus bzw. im Freien tut das Bett in der Jurte schon gut.

19. Juli 2006

Da heute ja ein großer Ausflug auf dem Programm steht, stehen wir um 6 Uhr auf. Ich teile die Jurte mit unserem Fahrer Hurle und ich versuche, ihn mit einem lauten „Hurle aufstehen" zu wecken. Aber vergeblich, er ist ja auch viel später ins Bett gegangen; wer weiß, wo er war. Vielleicht gab's ja im Küchenbau junges Gemüse! Also, ab zum Rasieren und Duschen. Der Himmel war klar und tiefblau. Im Osten kamen die ersten Sonnenstrahlen mit einem herrlichen rosa und im Westen blinkten noch die letzten Sterne, die Luft war recht kühl: für eine Wanderung durch die engen Bergtäler, die wir heute erkunden wollen, gerade recht. Vor dem Weg zum Restaurant schnell an der Jurte vorbei: Hurle ist immer noch im Bett! Jetzt ein kräftiges „Hurle, aber raus!“ Das half! Nach einem schnellen Tee und Toast mit Marmelade gingen wir mit Bergschuhen und Anorak gerüstet zum Bus, bei dem uns jetzt Hurle schon lachend erwartete. Los ging die Fahrt über hügeliges, nicht gerade üppig bewachsenes Gelände. Hie und da eine Jurte, ein paar Pferde, Ziegen und Schafe. Die Piste führte an einem trockenen Bachbett entlang, das dem Aussehen nach zeitweise auch eine ganze Menge Wasser führen muss. Der Talgrund wurde etwas weiter: eine Schranke zeigte den Beginn des Naturschutzgebietes an, daneben ein kleines Museum, das wir - genau wie die daneben stehenden Jurten, in denen Handwerkskunst und Kaschmirgestricktes feilgeboten wird - aber erst am Rückweg anschauen wollten.

Weiter ging die Fahrt, rechts und links wurden die Berge schon recht schön hoch. Die steilen Hänge sind bis oben bewachsen. Pflanzen wie in den Alpen über der Baumgrenze. Ein kurzer Fotostop, dann recht flott weiter. Das Tal wurde enger, auf den Bergkuppen sind blanke Felsen zu sehen: jetzt waren wir im Altai. So schnurrte unser Bus noch ca. 1 Stunde bergauf, dann eine Linksbiegung und Stop: Von hier aus geht's zu Fuß weiter in die Geierschlucht - oder man mietet sich ein Pferd oder Kamel. Mongolen warteten schon auf Kundschaft - Fußfaule, die in die Schlucht und zum Eis getragen werden wollten. Aber halt: zum Eis, jetzt im Hochsommer? Hier oben (ca.    m) schneit es von Oktober bis März und im engsten Teil der Schlucht bleibt der Schnee liegen, vereist, und das Eis bleibt meist bis Ende August.

Der Pfad im ca. 20 bis 30 m breiten Talgrund führt an einem munter plätschernden Bächlein entlang, darüber der tiefblaue Himmel, rechts und links die Gipfel und Felswände im vollen Sonnenlicht, nur den Talgrund erreicht kein Sonnenstrahl. Da kommt eine Wegbiegung und vor uns am Talboden 2 m dick schönes, blauschimmerndes Eis! Der Steig geht zunächst oben auf dem Eis; es ist arg glatt, weil es halt doch taut. Ein kleiner Ausrutscher ist da schon möglich. Dann aber eine Stelle, an der das Eis doch nicht mehr tragfähig ist: jetzt geht es unten durch, der Bach hat so ca. 50 cm von unten weggewaschen. Na ja, dann werden wir halt etwas nass, die Sonne trocknet uns schon wieder. Eine halbe Stunde mal unten durch, mal oben drüber, und wir sind durch. Jetzt weitet sich das Tal, die Berge schauen nicht mehr ganz so felsig-grimmig aus. Weit nach oben geht in den Fels und Geröllrinnen das Grün der Pflanzen mit vielen Blumen, die wir auch noch bei uns in den Alpen finden. Unsere jungen Bergfexen gehen noch weiter, der Schreiber rastet, müssen wir doch die 2 Stunden wieder zurück zu unserem Gefährt laufen. Eigentlich soll es auch Geier in der Schlucht geben - heißt sie doch deshalb so - wir bekamen leider keinen zu sehen. Lediglich an zwei Stellen in den fast senkrechten Felswänden waren weiße Flecken zu sehen: Vogelkot aus den an diesen Stellen vermuteten Horsten.

Der Rückweg war problemlos, nur die Stille war jetzt vorüber.

Andere Touristen mit amerikanischem Akzent und einer Katalogausrüstung „in drei Tagen durch die Mongolei im klimatisierten Luxusbus'" waren eifrig dabei, das Eis anzufassen, ein paar Meter auf das Eis zu steigen, sich hinzustellen, zwei Fotos, zurück zum Tragtier, und das war's dann.

Rasch ging die Rückfahrt zum Eingang in den Nationalpark.

Jetzt besuchten wir das wirklich sehenswerte Museum. Der Museumschef erklärte uns alles über die Geologie, von Pflanzen und Tieren. Gerade die Exponate von den auch heute noch hier , lebenden Tieren - einschließlich eines Lämmergeiers - sind wirklich sehenswert. Nur in diesem Teil des Gobi-Altai wird die Natur von Touristen gestört, abseits dieser Route ist Ruhe, mal vielleicht ein Jäger oder Hirte. Schnell verging die Fahrt zurück zum Camp. Hunger hatten wir allesamt: riesig freuten wir uns auch schon auf unser Essen. Ojuna hat mal wieder gezaubert: Hammelfleisch mit Gemüse und Kartoffeln in der Milchkanne, das Nationalgericht.

Wir blieben nicht lange auf, denn für den nächsten Tag war die Fahrt in die (Sand-)Wüste vorgesehen. Wenn einer aber einen unvergesslichen Sternenhimmel sehen wolle, so sagte man uns, dann sollte er so zwischen 12 und 2 Uhr nachts das warme Bett verlassen. Ich tat es und bereute es nicht. Selbst in der Mitte von Australien und im Pazifik sah ich den Sternenhimmel nicht so klar und faszinierend. Fast eine Stunde habe ich nach oben gesehen, immer wieder ein Sternbild entdeckt, bis es mich richtig fror und ich schnell wieder unter die warme Bettdecke flüchtete.

20. Juli 2006

Auch heute stehen wir um 6 Uhr auf. Um 1/2 8 wollen wir in die Sandwüste starten. Pünktlich sind nach dem Frühstück alle am Bus, den Hurle schon geputzt und gewienert hat. Wasser und Brotzeit sind schon geladen - und los geht's. Die Piste führt nordwärts von den sanften Hügeln in die weite Ebene. Gelbbraun mit einem Hauch von grün liegt sie vor uns. Vorbei an ein paar Jurten mit kleinen Schaf- und Ziegenherden. Wir wundern uns nur, wie die Tiere bei dieser spärlichen Vegetation satt werden können - und die Nomaden leben können. Wir weichen etwas von unserer Route ab, denn Ojuna will sich am Flugplatz vergewissern, ob morgen unser Rückflug nach Ulaan Baatar klappt. So ganz zuverlässig sind die Flugpläne nie. Wir haben herrliches Wetter, blauen Himmel und ein paar weiße Wölkchen, aber, so hat man uns im Camp gesagt, im Norden seien noch Unwetter, und da wird halt hier nicht geflogen. Die Auskunft: morgen wird alles klappen, es wird geflogen.

Die Fahrt geht weiter, die Piste auf rotem Lößboden, der schon wieder staubt, ist recht gut, nur müssen wir immer wieder so 5 bis 10 m breite und bis zu 1 m tiefe Rinnen durchqueren (oder überwinden), die ein Unwetter wie wir es erlebt hatten irgendwann einmal ausgewaschen hat. Der Boden ist noch weich, aber Hurle findet immer die richtige Stelle. Wenn hier richtige Unwetter toben, was so alle 20 - 30 Jahre vorkommen soll, soll es recht gefährlich sein! Hurle und Ojuna spähen ständig auf den Horizont. Hier soll eine Familie mit Kamelen sein, bei denen wir einmal auf vierbeinige Wüstenschiffe umsteigen wollen. Nun, die Kamele finden wir nicht, aber einen so 6 bis 7 Hektar großen grünen Fleck: mitten in der Wüstensteppe? Eine Fata Morgana? Wir fahren hin: tatsächlich eine eingezäunte Oase! Wir wollen natürlich alles wissen und so steigt Ojuna aus. Sie kommt mit einem etwa 50-jährigen Mongolen zurück. Er erzählt uns alles über seine Oase. Eigentlich stammt er aus dem etwa 70 km entfernten Aimag und ist ein echtes Kind der Gobi. Er möchte an dieser Stelle, an der er aus einem feuchten Wasserloch einen blühenden Garten geschaffen hat, alle ursprünglich hier beheimateten Pflanzen erhalten und wieder züchten; alles ohne Hilfe vom Staat oder Organisationen. Einnahmen erzielt er derzeit aus dem Verkauf von jungen Bäumen, die in den rundum (100 km und mehr) verstreuten Siedlungen gepflanzt werden. Mit Gemüse versorgt er sich und seine Familie selbst und auf einem kleinen Feld sehen wir Tomaten (schon mit kleinen Früchten), Kartoffeln und Weißkraut. Zum Abschied gibt es ein Bild mit der Polaroid-Kamera mit der ganzen Familie. Wir versprechen, weitere Fotos dann per Post zu schicken. Der Oasenboss lädt uns ein, bei unserem nächsten Besuch zu ihm zu kommen, er stellt für uns eine Jurte auf und zeigt uns die Gobi, wie er sie kennt.

Weiter geht's zu den Sanddünen. Beim Blick zum Horizont glauben wir, jetzt auch schon Sandbuckel zu sehen, aber sicher sind wir nicht; oder werden wir nur durch die flimmernde Luft getäuscht? Jetzt sehen wir aber ganz in der Nähe eine kleine Kamelherde. Sie stehen und liegen bei einer noch vorhandenen Pfütze und wiederkäuen ihr Frühstück. Ob da zwei mal kauen überhaupt reicht, wächst hier doch nur niedriges, fast dürres Strauchwerk 20 - 30 cm hoch! Zum fotografieren gehen wir vorsichtig etwas näher zu den Tieren, um sie ordentlich vor die Linse zu bekommen. Ein mächtiger Bulle steht auf, er scheint uns nicht zu trauen, denn er schaut uns doch recht drohend an (so empfinden wir es jedenfalls). So ziehen wir den Rückzug vor. Nach einer halben Stunde Fahrt zweigt eine Fahrspur - sie scheint öfter befahren zu sein - ab und wir sehen in einer kleinen Senke eine Jurte - oder Hütte? Tatsächlich keine Jurte, sondern drei Wellblechhütten, etliches Gerät, Rohre und Fässer, einige nicht gerade vertrauenerweckende Gestalten. Einer kommt gleich zum Bus noch ehe wir aussteigen und fragt, was wir denn wollen. Als er uns als harmlose Touristen identifiziert hat, wird er recht freundlich. In der größeren Hütte hantiert ein von oben bis unten mit schwarzem ÖI verschmierter Geselle an einem zerlegten Motor. Die Auflösung des Rätsels: hier wird Gestein gebrochen und Gold nicht so ganz legal ausgewaschen. Ein Mann, wohl der Boss, zeigt uns auch einige kleine Goldstückchen. Auf die Frage, wie viel sie denn hier so gewinnen, kamen recht unklare Antworten und mit Unzen und Gramm war die Aussage gut durchmischt. Nur eines stand fest: das Unternehmen war illegal und mehr als bei uns der Mindeststundenlohn sprang für die Gruppe wohl nicht heraus. Wo denn die Steine abgebaut oder von wo sie hertransportiert würden, wollte man uns natürlich nicht verraten. Mit einer weit ausholenden Armbewegung wies er gen Norden. In dieser Richtung sahen wir ganz, ganz weit weg am Horizont einen felsigen Höhenzug. Von einem vor dem Brecher liegenden Steinhaufen steckte ich noch ein kleines Stückchen als Andenken ein. Daheim wird mir dann schon jemand sagen können, um welches Gestein es sich handelt.

So, aber jetzt endlich weiter zu den Sanddünen. Eine halbe Stunde Fahrt, die Räder mahlten schon in den immer sandiger werdenden Fahrspuren, die bald ganz verschwanden, auch der Pflanzenbewuchs hörte fast ganz auf, nur noch da oder dort ein paar verdorrte Stängel, dann nur noch Sand, eben wie in der Wüste. Die ersten Dünen umfuhren wir und suchten uns an der Flanke eines ca. 25 m hohen Sandbergs ein Plätzchen für unsere Mittagsrast. Die Sonne stand am Zenit, es war ja auch schon fast ein Uhr. Damit wir etwas Schatten hatten, spannten wir eine Plane auf, aber der Wind (Gott sei Dank machte er die Hitze erträglicher) blies unser Segel zuerst einmal weg. Für die Wüste waren wir ja noch Anfänger. Nach einer kleinen Stärkung bestiegen wir die Düne, das musste schon sein. Im lockeren Sand sanken wir bis zum Knöchel ein, und der mit 30 cm angesetzte Schritt verkürzte sich gleich wieder auf die Hälfte denn ohne festen Untergrund rutscht man halt immer gleich wieder zurück. Oben angekommen, war unsere Aufstiegsspur auch schon wieder verschwunden: vom Winde verweht oder zur glatten Oberfläche zurückgerieselt. Der Blick von oben: nach Süden die Altai-Kette vielleicht nur noch zu erahnen, nach Ost und West große Wellen aus Sand, die Dünen, alle mit Sandfahnen, wie wir in den Alpen im Winter die Schneefahnen an den Gipfeln kennen. Im Norden in der gleißenden Sonne, weit weg, mehr zu vermuten als wirklich zu erkennen, ein flacher Felsrücken. Die Farben: rechts und links glitzerndes gelb, im Süden grau-braun das Altai Gebirge, im Norden rötlich der Felsrücken und oben blauer Himmel und die herunterbrennende Sonne.

Zurück beim Bus ergänzten wir unseren Flüssigkeitsspiegel und dann krochen wir in den Schatten unter unserem Sonnensegel für ein Mittagsschläfchen. Aber schon bald packten wir unsere Siebensachen ein und starteten zur Rückfahrt zum Camp. Wir waren noch gar nicht weit gefahren, da trafen wir in einer kleinen Eintiefung der Piste einen Jeep mit Anhänger, nur war letzterer umgestürzt. Die Ladung: ein nagelneuer Kompressor aus China, sicher für die Goldmine, die wir aufgespürt hatten, bestimmt. Der Fahrer und seine Beifahrerin - wohl die Köchin dieses „Bergbauunternehmens", hatte sie doch den Wochenproviant auf der Ladefläche des Jeeps dabei: zwei lebendige Ziegen! - waren ziemlich hilflos und hatten sich vergeblich bemüht, den Hänger wieder auf die Räder zu stellen. Es kam noch ein Jeep, wieder mit zwei recht verwegen aussehenden Gestalten, und alle zusammen schafften es dann. Recht froh waren wir dann schon, als aus der Sandstrecke wieder fester Boden wurde, und wir aus der Ebene auf die Anhöhe unseres Camps kamen. Da war's dann auch wieder kühler. Am Eingang zum Camp wartete schon ein junger Mongole auf Ojuna, auch drei gesattelte Kamele hatte er dabei. Wir hatten uns ja am Vormittag verfehlt und so holten wir den Spaß mit dem kurzen Ausritt auf den Wüstenschiffen jetzt nach. Natürlich viel zu kurz um sich vorstellen zu können, wie es ist, mit einer Karawane mehrere Tage durch die Wüste zu ziehen. Trotzdem war es aber ein schöner Abschluss unserer Gobitour.

Heiß duschen, frische Wäsche, Abendessen und in die Betten, letztmals in Jurten, denn am nächsten Tag stand der Rückflug nach Ulaan Baatar  auf dem Programm.

21. Juli 2006

Pünktlich starteten wir am Camp. Zwar ist es ja nicht sehr weit bis zum Flugplatz. Wir hatten ihn und die beste Piste dorthin ja schon gestern erkundet. Aber wir wollten die ersten sein, denn es soll schon vorkommen, dass trotz fester Reservierung kein Platz mehr da ist für die zuletzt kommenden Passagiere und das Flugzeug kommt ja nur alle zwei Tage. Wir waren auch die ersten, denn Hurle legte mindestens einen Gang zu, als auf anderen Pisten, die ebenfalls zum Flughafen führten, Staubwolken von Autos zu sehen waren. Das Einchecken ging schnell und unkompliziert, gibt es doch keinen Computer, sondern nur Listen zum Abhaken. Das Gepäck wurde genau gewogen, so eine Waage hatte man bei uns in Deutschland vor 50 Jahren auch - zum Wiegen der Kartoffelsäcke. So allmählich füllte sich der Warteraum - sogar mit einer Klimaanlage und einer Bar ausgestattet - und alle warteten: fehlte doch nur noch das Flugzeug. Die Abflugszeit war ja schon. Nur Geduld, sagte man uns, der Flieger kommt schon, in Ulaan Baatar ist er jedenfalls abgeflogen. Gespannt, aber mit Geduld hielten wir Ausschau, ob wir nicht am Himmel die Maschine entdecken. Da, direkt aus der Sonne kam sie, setzte mit einer Staubwolke auf der unbefestigten Piste auf und rollte vor das Abfertigungsgebäude. Aus- und Einsteigen ging recht flott, die zwei Motoren liefen wieder auf vollen Touren und schon hob die Maschine ab. Jetzt sehen wir nochmals so ungefähr das Gebiet, das wir mit unserem Bus durchquert hatten, von oben. Da gewannen wir nochmals einen Eindruck von der Weite und Einsamkeit der Südgobi. Der Flug - etwa 90 Minuten - verging schnell. Nach unten war die Sicht leider schon bald durch eine geschlossene Wolkendecke nicht mehr möglich. Erst kurz vor Ulaan Baatar war wieder freie Sicht: die nicht gerade schöne Gegend um die qualmenden Kraftwerkskamine und die dort ausgebreitet angesiedelte Industrie konnte man erkennen und schon hatte uns die Erde wieder. Die Gepäckausgabe klappte schnell, Ojunas Mann nahm uns in Empfang und brachte uns zum Bus, der uns zum Hotel in der Stadt fahren sollte. (Unser Wüstenbus mit Hurle war ja noch in der Gobi, Hurle sollte auf einer direkten Route, die zum Teil auch als Straße ausgebaut ist, in 2 Tagen zurück nach Ulaan Baatar fahren).

Ojuna hatte jetzt für uns in Ulaan Baatar schon wieder die nächste Überraschung vorbereitet: im Hotel waren die Zimmer reserviert: erst seit einem Jahr ist es in Betrieb, westlicher guter Standard, 3 Sterne würde es hier bestimmt bekommen. Panoramalift mit Blick auf den zweiten Knotenpunkt der Stadt, auch vom Restaurant hat man Aussicht auf das pulsierende Leben in der Hauptstraße Ulaan Baatars, aber vom Lärm hört man nichts. Da der Rückflug von der Gobi später war, als es im Flugplan stand, war die Zeit etwas knapp, denn im Theater war eine Aufführung alter mongolischer Tänze mit Masken und typischer Musik; dafür waren Karten bestellt! Also schnell umziehen und hinfahren. Das war recht schwierig, auch für einen mongolischen Fahrer, denn wir mussten auf die andere Seite der Straße (unsereins wäre wahrscheinlich ausgestiegen und zu Fuß gegangen, aber das Kreuzen bzw. Überqueren der Hauptstraße in einem Auto ist vielleicht doch ein bisschen sicherer).Gerade noch rechtzeitig kamen wir an, allerdings waren unsere reservierten Karten verkauft und ohne Ojunas Talent und Entschlossenheit hätte man uns kaum mehr eingelassen.

Die Vorführung zu beschreiben ist zu schwierig, man muss sie sehen und hören. Für uns Westeuropäer ist es ein Eintauchen in eine fremde Welt, eindrucksvoll und faszinierend. –

Zurück im Hotel genossen wir ein sehr gutes 3-gängiges Menü, tranken etliche Khan-Biere vom Fass und zum Abschluss Wodka. Es wurde nicht allzu spät, waren wir doch müde und für den nächsten Tag hatten wir noch ein Programm in Ulaan Baatar.

22. Juli 2006

Die Nacht im Hotel, wieder in einem „richtigen" Bett, hat uns gut getan, genauso wie ein Bad mit viel heißem Wasser und das „westliche" Frühstück. Dann ab in das Kunstmuseum. Eine deutschsprachige Führerin erwartete uns bereits. Über zwei Stockwerke sahen wir sehr wertvolle Exponate: Malereien, Stickereien, Kunsthandwerk. Unsere Experten, Manfred und Harald, die schon öfter buddhistische Länder bereist haben, erfuhren alles, warum was vorne, hinten oben oder unten in den Bildern steht. Ich wollte es gar nicht so genau wissen, war aber von all dem Gesehenen tief beeindruckt. Mittags gingen wir nur zu einem kleinen Imbiss in einem Bistro - gleich bei der Uni - denn für den Abend hatte Ojuna nochmals eine Überraschung für uns vorgesehen. Nachmittags war also Zeit, noch so einiges einzukaufen. Also ab in das große Kaufhaus an der Hauptstraße - fast im Zentrum. Im Vergleich zu einem Besuch, den ich 8 Jahre früher in Ulaan Baatar machte, ist das Warenangebot jetzt sehr gut und reichhaltig: modernste elektronische und elektrische Geräte (Kühlschränke, Küchen, Waschmaschinen), Kleidung usw. Wie die Preise für mongolische Verhältnisse waren, konnten wir natürlich nicht beurteilen, allerdings muss das Niveau schon gestimmt haben, denn die Kundenfrequenz war recht groß. Unser Weg ging aber in die oberste Etage, die ist hauptsächlich für Touristen. Jeder von uns brauchte ja noch etwas zum Mitbringen nach Hause:

Kleinigkeiten, ein Bild, eine Tasche. Mongolische Trachten und  Handarbeiten, alles in guter Qualität und zu fairen Preisen.

Zurück im Hotel hieß es schon einpacken, denn der nächsteTag war für die Fahrt ins Chentii-Gebirge vorgesehen, für Uschi und mich eine Tagestour, der letzte Tag in der Mongolei, für Manfred,Harald, Sigi und Franz der Anfang des zweiten Teils ihrer Reise.  

Zunächst zu der Abendüberraschung. Ojuna holte uns mit dem Bus ab zu einem ca. 15 km östlich der Stadt gelegenen Restaurant. Leider begann es fürchterlich zu regnen, es gab kaum Aussicht. Das Restaurant - oder besser die Anlage - gehört einem Deutschen, der auch die Khan-Brauerei aufgebaut hat und diese sehr erfolgreich betreibt. Man glaubt, an einer Klosteranlage vorzufahren. Beim Eintritt durch das Tor fällt der Blick gleich auf das zentrale Gebäude, einem Tempel sehr nachempfunden, in dem sich das Restaurant befindet. Viel Holz,viel Glas,  Aussicht nach allen Seiten. Um das Hauptgebäude herum sind in einem großen Viereck kleine Gebäude, etwa von der Größe einer Jurte angeordnet. Das sind die Hotelzimmer. Alle sind mit überdachten Gängen verbunden, dazwischen Rasen. Um die ganze Anlage führt eine Mauer, auf der man spazieren gehen kann: wir leider nicht, denn es schüttete wie aus Kübeln. Die Anlage ist sicher einen Besuch wert.

Für uns war ein Tisch reserviert, drei Gänge wurden serviert, es war doch unser Abschiedsabend. Auf unsere glücklich verlaufene Gobireise, die uns so viele unvergessliche Erlebnisse gebracht hat, stießen wir an, dankten Ojuna und ließen sie hoch leben. Gegen elf Uhr brachen wir auf.

Rasch waren wir im Hotel zurück, denn um diese Zeit hat sich der Verkehr doch beruhigt . Ein Abstecher mit dem Panoramalift mit Blick auf Ulaan Baatars Hauptstraße von Ost nach West und ein Rundblick vom Restaurant im obersten Stockwerk (ich glaube dem achten) über das nächtliche Ulaan Bataar würde sich noch lohnen dachten wir. So war es auch: Lichter ringsum, wo vor 8 Jahren noch unberührte Hügel waren, jetzt bis oben hin. In den Straßen flutete der Verkehr mehrspurig in beiden Richtungen, obwohl es schon beinahe Mitternacht war. Man wird nachdenklich: einsam in der Wüste auf einer Sanddüne, nur der Wind und leise rieselnder Sand zu hören oder unter dem klaren, unendlichen Sternenhimmel in völliger Stille im Altai. Ist wirklich immer die Hektik unserer Zivilisation die richtige Lebensform? Sollten wir nicht immer auch einmal innehalten und nachdenken: die Frömmigkeit der Mönche in den Klöstern, die Bescheidenheit der Nomaden, für die Gesundheit von Mensch und Tier wichtiger ist als Geld und Vermögen, die zum Klang einer Morin Chur ein Dankeslied für einen schönen Tag an den Vater = die Sonne und die Mutter = die Erde singen und sagen, was ist denn ein Mensch im Vergleich zum Kosmos, ja noch nicht einmal so viel wie ein Sandkorn. Etwas nachdenklich gehen wir zu Bett, nicht ohne auch ein Dankeschön für die schönen Tage an unseren Schöpfer geschickt zu haben.

Die Gobi-Tour war ja jetzt zu Ende, noch nicht aber die Mongoleireise. Das Land ist so groß und verschiedenartig, wenn man einmal da ist, sollte man sich, wenn es die Zeit irgendwie erlaubt, auch Berge mit schönen Wiesen und viel Wald und schönen Flüssen anschauen. Für einen solchen Ausflug ist das nordöstlich von Ulaan Baatar gelegene Chentii-Gebirge ein lohnendes Ziel. Es steht unter Naturschutz und ist etwa 200 x 100 km, die zwei höchsten Berge sind fast 2700 m (Altan Olgly Nul und Sardag Nul). Wir (Uschi und Bernd) konnten leider nur noch einen Tag als Ausflug bis zum ersten Zeltplatz mitfahren, denn am Folgetag war unser Rückflug nach München gebucht. Aber schon der erste Tag war herrlich - und mit ein paar kleineren Abenteuern gespickt. Bis Terelj - einem Auflugsplatz mit Jurtencamps und einem kleinen Hotel - geht es auf asphaltierter Straße. Dort wurde noch eine Ziege gekauft, die dann am offenenFeuer zum Mittagessen gebraten werden sollte. Aber zuerst mussten wir den vorgesehenen Zeltplatz erreichen. Das war gar nicht so einfach. Zwar gab es eine Fahrspur für Geländewagen, aber nach jeweils 4 oder 5 km ging es durch einen Bach mit faustgroßen Steinen am Grund und Wasser jeweils bis zum Trittbrett. In einem lieblich Tal mit saftigen Weiden und vielen Blumen, voran Edelweiß, Türkenbund und Nelken. Auf den Bergen, die das Tal einrahmen, herrlich hellgrüne Lärchen und auch verschiedene Laubbäume, meist Erlen. Immer weiter und höher hinauf wollte der Fahrer (nicht unser Hurle) und da passierte es: der Boden war sumpfig, der Wagen sank ein und saß fest. Schieben und Ziehen mit unserem noch auf festem Boden stehenden Bus half nichts! Nach gut einer Stunde und mit Hilfe von Holzstangen und Holzscheiten war der Wagen wieder flott! Jetzt wurde nicht mehr lange nach einem Zeltplatz gesucht. Am Waldrand, 10 m höher, war es sowieso herrlich! Die Zelte waren schnell aufgebaut, das Lagerfeuer entfacht, die Mongolen hatten die Ziege geschlachtet und ausgenommen und wieder zugenäht, denn die Spezialität ist eben das mitsamt der Haut gebratene Tier. Fertig war der Braten dann nachmittags um sechs, wir (Uschi und Bernd) konnten nur noch probieren (es war wirklich vorzüglich), denn wir mussten ja zurück nach UB, und das bei einbrechender Dunkelheit und den vielen Passagen durch die Bäche. Gegen 11 waren wir dann zurück in Ulaan Baatar, aber spannend war es bis zuletzt, denn schon kurz nach Beginn der Rückfahrt zeigte die Benzinuhr Reserve an, und auf die Frage, ob der Kraftstoff denn reiche, gab es die Antwort „er muss, Reservekanister haben wir sowieso keinen dabei". Aber das Benzin reichte.

Am nächsten Morgen wurden wir (Uschi und Bernd) am Hotel abgeholt und zum Flugplatz gefahren. Pünktlich muss man sein, denn die Abfertigungshalle ist nicht groß. Abfluggebühr bezahlen, Visa-Kontrolle, Gepäck-check in - alles braucht seine Zeit und gibt es Gedränge, dann sind alle nervös: aber mit Geduld klappt es, die Erlösung von der Anspannung ist mit der Stimme aus dem Lautsprecher „..zum Einsteigen bereit.." da.

Träumend - nur unterbrochen von viel zu üppigen Mahlzeiten - vergeht die Flugzeit doch schnell und pünktlich hat uns Berlin-Schönefeld wieder.

Bernd Klingsohr