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Mongolei-ein Wintermärchen 2009 von Otto Keck, Giengen

Wir überfliegen das Altaigebirge, das sich  im Westen der mongolischen Grenze bis zur Wüste Gobi erstreckt, unter uns viel Schnee, der Tag noch neu, beginnen den Landeanflug auf die Hauptstadt Ulanbaatar, eine Millionenstadt, die das ganze Jahr unter dem Smog der zentralen Kohlekraftwerke leidet, denen Filter Fremdwort sind. Der Schnee macht sich rar, im hektischen Verkehr erreichen wir das Zentrum, mit allergeringstem Abstand wird mehrspurig gefahren, wer hupt hat Vorfahrt, Fußgänger erreichen nur im Laufschritt die gegenüberliegende Straßenseite. Die Mongolei darf ich  kurz vorstellen, 2,4 Millionen Einwohner in einem Land das 4,4mal größer ist als die Bundesrepublik, ein Drittel der Bevölkerung sind Nomaden, leben mit ihren Herden ganzjährig in den endlosen Weiten des Graslandes, Winters wie im Sommer, durchschnittliche Seehöhe 1600 Meter, die Berge gehen bis auf 5000 Meter, hat interkontinentales Klima, im Sommer über 30 Grad, im Winter 40 unter Null und mehr.

Dafür habe ich mich entschlossen, ein weiteres mal die Mongolei zu bereisen, Kamele und Pferde in solch ausgesetzter Natur zu erleben, Menschen zu beobachten unter diesen Lebensbedingungen,  zu Ende des Winters, wenn die meisten Geburten sind, um den Sommer über stark zu werden, den nächsten Winter zu überleben.

Suvdaa, die Reiseleiterin und Dolmetscherin kenne ich von einer früheren Reise, sie hat in der ehemaligen DDR studiert, spricht ausgezeichnetes Deutsch, wird uns begleiten, unsere Gruppe, Martin, einen Schweizer und mich. Das Reisethema, Neujahrsfest der Mongolen, Eisfestival am Khubsugul See, Kamelfest  in Bulgan, ganz im Süden der Wüste Gobi, Nomadenfamilien besuchen und deren Tagesablauf zu erleben und nicht zu vergessen, eine unbeschreiblich schöne Landschaft.

Also, wir fahren 3 Stunden mit einem Allradbus hinaus aufs Land, werden begrüßt mit dem traditionellen Milchtee und Buuz, Todra zeigt uns unsere Jurte, ein Rundzelt, mit fast 2 Meter hohem Holzzaun eingemacht, das Feuer im Ofen brennt, ein Elektroofen glüht, 25 Grad plus, ziehen als erstes den Stecker heraus, wollen doch keine Weicheier sein. Wenn das Feuer ausgeht, kühlt es schnell ab, haben eine  Nacht hinter uns, 5 Grad minus  im Zelt, der vorgebaute Windfang hält einiges ab, draußen zeigt der Thermometer 37 Grad an, haben  ja gute Schlafsäcke dabei. Hinaus zu den Pferden, die haben ein dickes Winterfell, stehen die ganze Nacht, mir schmerzt die Haut. Kälteschutzcreme aufgetragen, Fellmütze, Faserpelzjacke und Anorak, gefütterte Stiefel, Handschuhe mit dem Fell nach innen, so lässt es sich gut aushalten. Wir steigen auf eine Anhöhe, die Gegend zu erkunden, die Schneeauflage ist gering, das gelbe Gras ist nicht abgeknickt. In der Ferne, das ist die Bahnstrecke der Transit, von UB nach Peking, unter uns, barackenartige Gebäude, einst für Bahnarbeiter erstellt, sind jetzt  aufgekaufte Winterquartiere von Nomaden, langsam erwärmt die Sonne den Tag, pendeln bei 20 Grad ein. Ovoo sind Gedenkstätten der Schamanen, immer auf Passhöhen und Gipfel, Steine werden aufgehäuft, Opfergaben wie hier Pferdeschädel abgelegt. Wieder unten die Herde  ist hinausgetrieben, dort  wo das Gras noch besser ist, der Kindergarten, noch keine Woche alt sind die Lämmer, werden bereits mit Heu zugefüttert. Ein junger Mann auf dem Pferd, wir diskutieren und werden von ihm eingeladen, mit ins Haus zu kommen, die Schwester ist nicht begeistert, wischt gerade den  Boden, als wir drüber steigen, morgen ist Neujahr, da soll alles nobel sein. Teppiche hängen noch draußen, schon bringt sie die niederen Hocker, Anzündholz, bietet  Milchtee, setzt Buuz auf. Ich helfe ihr, die Truhe an den richtigen Platz zu stellen und fotografiere das alte Familienerbstück, die junge Frau zeigt mir im Nebenraum weitere Kunstschätze, Truhen und Teppiche, die Muster sind typische mongolische Ornamente, die bis auf die Zeit  der Hunnen zurück reichen oder den Einfluss der Chinesen spiegeln. Der Vater bietet Schnupftabak an, das ist eine große Ehre. Unsere Pferde sind gesattelt, wir reiten aus, in alles Schützende gepackt, durch den Sattel kommt wohlige Wärme, leicht laufen die Tiere im Trab.

Heute ist das Neujahrfest, ein großer Feiertag, bei jeder Familie ist  aufgetischt, neben dem Turm von Gebäck, das mit getrocknetem Quark und Käse oder mit Konfekt dekoriert ist, liegt daneben ein ganzes gesottene Breitschwanzschaf. Da kommen immer die jüngeren zu den älteren, mit Auto oder dem Pferd, draußen auf dem Wagen liegen die Schaffelle, das Pferd wartet  mit den Fußfesseln geduldig, die Begrüßung und Gratulation mit aller Herzlichkeit alt und  jung in bestes Gewand gehüllt, Häkelkleid mit Tüll besetzt oder Buben,  der klassischen Jacke überm Del,  Mutter mit edler Fuchsmütze, man rüstet sich, eine andere Familie zu besuchen, Gruppenfotos, da stellen sich alle bereitwillig.

Fahren nach Zuchhara, eine halbe Fahrstunde, eine größere Ansiedlung mit Festbauten, da ist Todras Haus, er hat es gekauft und zeigt es mit Stolz,  der Sockel ist mit Sand angefüllt der Kälte wegen, im freien der Brunnen abgedeckt, Wasser wird mit dem Eimer geschöpft, da laufen 5 Schweine frei herum, haben ein entsprechend dickes Fell, deren Gewicht  nur ein  Bruchteil unserer. Der Eingangsbereich wie in einem alten Bauernhaus, einer Almhütte, Zentrum, der Ofen, heizen, kochen und es fehlt an nichts, der Laptop am Glastisch, in der Anbauwand der Fernseher, sofern die Zeit erlaubt, sind sie  vom Weltgeschehen informiert.                    

Der Besuch gilt Suvdaas Eltern, da ist natürlich auch schon das Haus voll, ein jüngerer Bruder mit der ganzen Großfamilie. Bald sitzen wir beim einem Bruder, die Begrüßung, beginnt obligatorisch mit Wodka, auch hier müssen es drei sein, die Buuz fehlen nicht, Speck, auch gezuckerter Reis mit Sultaninen wird angeboten. Vor dem nächsten Besuch fahren wir auf eine Anhöhe, neben der Stupa ein Ovoo mit den Opfergaben, die blauen Schals sollen den ewig blauen Himmel darstellen, die höchste Gottheit der Schamanen, auch Suvdaas Angehörige träufeln etwas über die Steine. Die Kleinstadt hat etwas Industrie, unter anderem eine Wodkadestillerie, von hier kommt der bekannte Tschingis-Vodka. Sie hat auch ein großes Gefängnis, der Direktor wird allerdings ganz privat unser nächster Gastgeber, einer der Brüder ist großer Pferdebesitzer möchte sich mit mir im Deel und seinem gesattelten Pferd fotografieren lassen, mache natürlich  alles mit, als ich das Pferd führen will, beginnt es zu steigen, komme mir vor wie im Zirkus Krone, zur Abwechslung gibt es hier mal Wurstsalat. 

Am Folgetag fahren wir aufs Land, müssen einen gefrorenen Fluss queren, da findet  sich eine Trasse, das sichere Ufer ist erklommen, zwei Reiter sind mit  ihrer 6m langen Fangstange unterwegs, ihre Pferde  zu treiben, die Herden sind riesengroß. Unser Ziel am Igelfelsen, das Winterquartier, das ich vom Vorjahr kenne, wohlig warm und wie gewohnt ein herzlicher Empfang, in der Mitte der Hausaltar, ein Wandteppich mit Tschingis, den Ahnenbildern, denen große Achtung gebührt, Kinder spielen eine große Rolle, beherrschen die Szene, und sind hier genau so sauber gekleidet, herausgeputzt. Man sagt, Nomadenkindern zeigt man nichts, sie schauen sich es an und machen es nach. 

Auch hier sind für uns Pferde gesattelt, warten geduldig, es gilt, am Fluss Wasser zu holen, wir werden mit reiten. An einer offenen Stelle wird geschöpft, zur Jurte transportiert, bei uns dreht man am Hahn. Alle bedanken sich für den Besuch, wünschen gute Reise und winken lange nach, bleiben mit ihrer Herde in der Einsamkeit zurück, unser Weg führt nach UB, die Piste staubig, das Licht flach, so bleiben wir eine Nacht in der Hauptstadt. 

Unter uns einsame Wasserläufe, fliegen nach Nordwesten, Schnee fehlt fast ganz, landen 750 km weiter in Moron, steuern das nächste Highlight an, Eisfestival am Khubsugul-See. Die 3-stündige Autofahrt  führt über weiträumiges Weideland, der See dick gefroren, der blaue Himmel spiegelt im Eis, Sastrugi, der Triebschnee, der vom Wind fest gepresst ist, Risse Adern, die durch die Spannungen der großen Fläche entstehen, jedoch ungefährlich sind. Männer mit der Kettensäge schneiden Eisblöcke, der Mann mit seinem Jak ist rund um die Uhr mit Eis und Wasser holen beschäftigt, das Licht bricht sich gespenstisch in den Kunstwerken. Eis, die Quader sind aufgesetzt, bearbeitet, mit Wasser übergossen und transparent wie Bleikristall, ein Schriftzug, Ice Festival, der ständig sich verändernde Lichteinfall lässt die ganze Motivvielfalt leben.

Ein Stier, da turnen die Kinder, schaukeln an den Hörnern, so fest und stabil das ganze, Steinböcke vor einer Jurte, zwei Künstler haben mit 5 Studenten 2 Wochen daran gearbeitet, der Nomade mit seinem Pferd, ein Engel, eine Stupa, Kult und Opferstätte, die Vielfalt will kein Ende nehm. Das Fest wird eröffnet, nach den Ansprachen ertönt aus dem Lautsprecher Musik, Mädchen tanzen dazu, die Stiefel werden geschnürt, Eisschnelllauf. Die Distanz geht heute und Morgen, je über 100 km, Massenstart, die 30 Runden, alt und jung, 40 Athleten, gerne 35 Jahre Altersunterschied, stellen sich der Distanz, schnell zieht sich das Feld auseinander, 18 bis 20 km werden in der Stunde gelaufen, 5 übernehmen das Tempo, wechseln, an der Reihenfolge ändert sich kaum was, in kleinen Pulks sucht jeder seinen Leistungsstand, auch ein Holländer ist mit von der Partie, bei 20 Grad unter Null gefriert der Atem. Jeder der das Ziel durchläuft, darf sich glücklich fühlen, hat die 200 km am zweiten Tag in der Tasche, parallel läuft das Pferdeschlittenrennen. Das Gerät aller einfach zusammengebastelt, geflickt, hat mit einem Seilzug eine Bremse, hilft auch zur Richtung halten, Zaumzeug und Komet sind auch nicht besser, die Hufe sind beschlagen, die Pferde alle sehr klein mit dickem Fell, hübsche Fuchs- oder Wolfsmützen, bunte und verzierte Jacken tragen die Männer über dem Deel, es sind 20 Gespanne am Start, die Hatz beginnt, mit lauten Tönen, „Tschu“ heißt  laufen und mit der Peitsche wird angetrieben, entschwinden unseren Blicken, kommen  nach einem Rundkurs wieder ans identische Ziel, Jung und alt stehen an der Strecke, die Augen zugekniffen, grell das Licht, hohe UV Strahlung vom Eis und Schnee von allen Seiten.

Eine Frau fällt mir besonders auf, ihre Identität kommt erst später auf, eine Schamanensitzung ist angesagt, wo, wann, da gibt es lange keine Auskunft, das bestimmt die Schamanin, die Sterne die müssen entsprechend stehen. Ein Teppich wird ausgerollt, ein Tisch wird hergerichtet, darauf sind Opfergaben, Männer bringen Holz, der Stapel wird entfacht, die Schamanin kommt mit Maske, dem Franzengewand, einer großen Trommel, schlägt mal in der Mitte, mal außen in verschiedenen Haltungen, windet und biegt sich laufend, wird von einem großen Mann von hinten gehalten, man könnte meinen, sie aus dem Außerirdischen zurück zu holen, ihre Laute sind eher ein Gejammer als ein Gesang, Opfergaben werden dem Feuer übergeben, das ganze schwillt ab, ist nach kurzer Zeit zu Ende. Später kommt die Frau in Begleitung, Wolfsfellmütze, großes Ohrgehänge und Deel, sitzt auf einer niederen Bank, gibt  noch Antwort und Ratschläge, hat heute eben den Kontakt zu den Geistern nicht gefunden. 

Ein frischer Morgen zieht auf, im flachen Licht strahlt der Stier besonders schön, viele Nomaden haben hier für ein paar Tage ihre Jurten aufgebaut, haben Schlittschuhe oder ein Pferdegespann dabei. Abseits ein Zelt von Rentierzüchtern, die auch hergezogen sind, ganz andere Typen, eine kleine Minderheit. Rentiere sind angebunden, deren Geweih gekürzt oder ganz abgesägt. Von den zwei Frauen werde ich gestikulierend eingeladen, mit in ihre gute Stube zu kommen, zentral der Ofen, das Wasser kocht, der Naturboden mit Rentierfellen ausgelegt. Die Rentiere werden gesattelt, ein etwas ungleiches Verhältnis zwischen Tragtier und Reiter. Die Besucher müssen ja auch beschäftigt und unterhalten werden, also Seilziehen auf rutschigem Untergrund, ein lustiges Gepurzel. Der Trick besteht nicht mit den Füßen, sondern mit Arm Kraft zu ziehen, das ist beim Ringen auch nicht anders, schnell ist der Gegner aus dem Kreis geschoben. Die Eisburg ist für Kinder das wichtigste, da wird über die Rutsche vor und rückwärts, auch im Tandem gewetteifert, man stellt sich zu den Steinböcken, turnt oder reitet auf ihnen. Abends ist dann in der großen Eisjurte Barbetrieb angesagt, das Ganze in gespenstisches Licht getaucht, auch die Einrichtung, Tische, Sessel sind aus Eisblöcken gebaut, selbst der Wodka wird in Eisbechern serviert.

Wir wollen hinausfahren aufs Eis, das Auto steht schon Tage bei diesen Temperaturen, doch das ist das Problem des Fahrers, rundum wird eine Manschette angelegt, mit Bunsenbrenner gearbeitet, das Ding kommt zum Laufen. Der See wartet noch auf die wärmenden Strahlen, Pfeilspitze soll die Felsformation heißen, eine Aussichtsanhöhe mit einem Ovoo, gewaltige Schläge von den Wellen unterm Eis, oben, aufgeschobene Platten, alles von der Natur gestaltet, mit dem Sonnenstand ein Farbspiel, fahren zurück.

Ganz im Süden der Wüste Gobi, eine gute Flugstunde liegt hinter uns, ganz wenig Schnee hat die Grautöne abgedeckt, nur gelbes Gras leuchtet, eine Wüste ist ja ein niederschlagarmes Gebiet, ewig gerade die Piste. Vor uns liegt Bulgan, der Wüstenort des Kamelfestes, hinter hohen Bretterzäunen stehen 6 Jurten, überall gesattelte Kamele angebunden, wir richten uns gemütlich ein. Die zwei Töchter machen Feuer, servieren das liebevoll zubereitete Essen, heute gibt es mal wieder Buuz, Kartoffelsalat, rote und gelbe Rüben, wichtiger wegen was wir gekommen sind, dem  Kamelfest, die ganze Region ist auf den Beinen, mit Auto, Motorrad. Hier sind die Handschuhe am Lenker montiert, sicher ist hier nur selten, soviel los. In einer Art Festzug reiten sie ein, die schönsten Kamele, Kostüme, die Rennen über die 2 Distanzen und 7 Wettkampfgruppen, die ihre Banner mitführen, sich dem Kampfgericht stellen, die Polomannschaften. Beim Kamelpolo sind die Endspiele im vollen Gange, erstaunlich wie schnell beschleunigt wird, die Richtung  geändert, die Matadoren waagrecht im Sattel liegen und unter den Kamelen durchschlagen, das wird allseits mit Spannung verfolgt. Der Kampf ist hart antrainierter Sport und jede Mannschaft hat ihre Anhänger, ihren Fanclub, das Ganze ist ein großes Treffen der ganzen Region, auch die Kultur kommt nicht zu kurz, wird als Konzert  angeboten, eine dürftige Halle in einem üblen Plattenbau, doch was hier geboten wird, ist nobelste Sahne. Da tritt ein Sänger auf, eine Tänzerin, Pferdekopfgeigenspieler und die Schulkinder als Kamelreiter imitieren die Gangarten deren Verhalten, der große Altersunterschied fällt auf, alle strahlen. Dabei zeigen ihre Weltaufgeschlossenheit, tanzen genauso ausdruckstark einen Lambada, begabte junge Leute werden hier stark gefördert, und wir sind in der Wüste Gobi, wo man in der Jurte lebt, das Wasser im Eimer im Eck steht. 

Heute hat es noch 3 Grad Minus, es hat geschneit, so habe ich mir das auch so vorgestellt, die Tiere stehen die ganze Nacht angebunden und gesattelt da, auf dem Sattel und im Steigbügel liegt mehr Schnee als auf dem Fell. Heute ist Kamelrennen, der Treffpunkt am Dorfplatz, dort gibt es die Startnummern und gute Tipps von den alten Hasen, gemeinsam in mäßigem Tempo  geht es die 17 km an den Start. Wir fahren mit dem Auto, halten immer wieder an, haben viel Zeit zum Fotografieren. Der Konvoi begleitet von einem PKW, der die Nationalflagge mitführt, der gemütliche Teil endet, habe mir etwas mit Startschuss oder Ähnliches vorgestellt, doch dem ist nicht so, beim wartenden Auto umdrehen und ab geht die Post, zurück.  Jetzt wirbelt Staub auf, mit der Peitsche wird getrieben, Kamele können am Tag 100 km laufen und alle Begleiter, auch ein Kamerateam ist mit dabei, macht  zielwärts, auch hier das Feld weit auseinander gezogen und um den Sieg entfacht ein heißer Fight. Zurück im Ort, Shopping an der Fassade geschrieben, erwerbe Bonbon für die Kinder, gehe hinter den Ladentisch, lege eine gute Hand voll auf die Waage, so kann man sich mit Mongolen unterhalten, die Zeit  scheint stehen geblieben zu sein, in den Gassen Fußgänger, Autos und Kamele, bei der Post bemühe mich um Briefmarken, doch da sitzen Burschen vor dem Bildschirm, während sich die anderen am Dorfplatz für das Rennen der Jungtiere vorbereiten. Das Spiel ist dasselbe, die Strecke 10 km Begleiter und Zuschauer sind nicht weiger geworden, das Fotografieren ist einfachste Sache, sie bedanken sich, beachtet zu werden, da kommt  auch mal einer auf einen zu und bittet, abgelichtet zu werden. Der Schnee taut ab, das Licht wird besser die Meute kommt und wird von großer Kulisse erwartet und empfangen.

Der Wettkampf der Nomaden, 7 Mannschaften reiten vor, jede mit einer anderen Flagge, die der älteste führt, sprich ein Handpferd, also ein junges, noch ungerittenes Kamel mit. Bepackt sind die Tiere unterschiedlich, es soll den Umzug zu einem besseren Weideplatz demonstrieren, Kisten und Truhen, das Mobiliar der Jurte, Wolle in großen Tüchern, es galt abladen, eine Jurte mit dem Dachring, den Filzplanen, die schweren Motorräder, selbstverständlich nach der Stoppuhr. Die mitgeführten ungerittenen Jungtiere werden losgelassen, mit dem Lasso wieder eingefangen, die ziehen schon ganz schön hinterher, mit einem Seil um die Füße fesseln, umlegen. Alle 5 knien darauf, manche Mannschaft hat da schon Schwierigkeiten, es gilt, das Holz durch die Lüster zu bohren, damit  man es führen, steuern kann. Vom Hals wird die Wolle geschnitten, um einen Strick zu flechten, die Fußfesseln werden gelöst, beim Aufstehen sitzt schon einer zwischen den Höckern, das sieht  für die Zuschauer spektakulär aus, ist aber harte Knochenarbeit, verlangt viel Mut. Man sagt, ein Nomade wird zum Mann, wenn er sein erstes Kamel oder Pferd angeritten hat, nicht alle bleiben oben sitzen, es heißt wieder alles aufladen, verzurren, da muss jeder Handgriff sitzen, das haben ja alle schon oft genug gemacht.  Nun, diese Veranstaltung zeigt das Können, Wissen, die Fertigkeiten der Nomaden. Ein Frevel, ihnen ihre Kultur zu rauben, wollten doch die Sowjets das Nomadentum abschaffen, haben alles verstaatlicht, im Grunde eine große Sünde an deren Kultur. Dass das nicht geklappt hat, ist hier der lebende Beweis, alles ist mit Eifer dabei, auch die Zuschauer aller Altersgruppen, und überall das liebevolle Detail, das Kampfgericht schwitzt noch, die Medaillen warten schon, genau so die gespannten Zuschauer. Die schönsten Kamele bekommen den blauen Schal und einen Uller, auch das schönste Paar, die Schale mit Kamelmilch geht um, das Kamel schaut halt drein, trägt schon mehrere Orden, hat beim Rennen, Polo und der Mannschaft teilgenommen, die erfolgreichen Polospieler und der Mannschaftserfolg, auch eine stolze Frauenmannschaft.

Ein neuer Tag beginnt, erleuchtet das hügelige Land, den Kamelzüchterort Bulgan, unser Gastgeber entschuldigt sich, er sei in die Organisation stark eingebunden, hatte für uns zu wenig Zeit, zeigt ein Album von den Dreharbeiten vom weinenden Kamel, er habe da auch mitgeholfen, habe in Deutschland gute Freunde, einen ganz bekannten Fotograf, Michael Martin, der alle Wüsten der Welt  bereist hat, auch seien Deutsche dagewesen, die ihnen gelehrt haben, in der Wüste Gemüse anzubauen und lagern, so hat er ein Folienhaus, möchte noch zu drei Ernten pro Saison kommen. Wir bekamen Anfang März sogar noch eigene Tomaten, er zeigt uns seinen gemauerten und belüfteten Vorratskeller, unter seiner Jurte, schlägt den Teppich zurück, öffnet die Falle, da liegen noch rote, gelbe Rüben, Kartoffel, Zwiebel, auch das Saatgut für das kommende Frühjahr. 

Kamele blicken uns nach, am Horizont die südlichen Ausläufer des Altaigebirges Bajanzag, das sind die roten Kliffs, Buntsandstein, der stark verwittert, hier haben vor 100 Jahren Forscher 100 Riesensauerierskelette gefunden, die größten der Welt. Die Landschaft  heute im allerbesten Licht, wir umfahren den Kessel, Saksaulstauden, mit tiefen Wurzeln, um an Wasser zu kommen, die Bonsai der Wüste. Nach Nordosten geht es heute, quer durch die Gobi, das Ganze ein laufender Wechsel von Farbe, Struktur, Vegetation, ein Wüstenfuchs flüchtet, schaut irgendwann zurück, ein Schaf hat neu geboren, weit ab der Herde, zieht die Nabelschnur noch nach, ein Geier beäugt den Rest eines Kadavers, der Rabe versucht auch etwas abzubekommen, weit weg ziehen Steppenantilopen, abwechslungsreich die Landschaft, Gestein und Sand mal oxydrot,  mal caput mortum.

Wir suchen eine bestimmte Kamelzüchterfamilie, die soll irgendwo in der Gegend sein, wir finden die alten Tanten, das sind die Schwestern von der Großmutter von Suvdaas Mann, die Besuche der Angehörigen gehen weiter, zwei Frauen besitzen und versorgen 80 Kamele und 300 Schafe, vor der Jurte getrockneter Mist  zum Heizen, weit und breit gibt es keinen Busch oder Strauch. Die ganze Herde ist beim Gebären, der Kindergarten voll, so auch bei der nächsten Jurte, ein Familienverband mit 4 Generationen, 3 Familien. Die Herde ist zurückgekommen, mit dem Fernglas suchend, weit draußen stehen noch ein Paar, mit dem Motorrad fährt er hinaus, bringt im Sack 3 Lämmer, legt sie ab, die Schafe rennen nach, lecken die Neugeborenen trocken, ein erstes Aufstehen, noch etwas unsicher. Das Lamm versucht vorsichtig, den Gebrauch seiner Beine zu erlernen. Es ist schon großartig, wie sich diese Tiere von ihrem Instinkt geleitet, gleich nach ihrer Geburt ins volle aktive Leben stürzen, trinken, abliegen, eine  kalte Nacht bricht herein. Es gilt, Kamele zu melken, die Kälber sind im Pferch eingesperrt, kommen nach und nach zur Stute, die hat vier Zitzen, die teilen sich Kalb und Hirtin. Von ihren 3 Jurten räumen sie für uns eine, Suvdaa, Zolto und Agi, die Fahrer schlafen in der nächsten am Boden, die für uns geräumten nächtigen in der dritten Jurte ebenfalls am Boden, das heißt Gastfreundschaft: wir waren nicht einmal angemeldet, der Hirte zieht den angebotenen Schnupftabak hinauf.

Wir haben nur eine Bettstelle, also wird der Bodenteppich zusammen geschlagen, der Schlafsack ausgerollt, habe also im Winter in der Jurte am Boden wie die Nomaden genächtigt, der Hirte meint noch, an der Batterie den Draht abziehen, dann wird es schon Nacht, man hat hier einen Sonnenkollektor, der die 12 Volt-Batterie speist, schon weit vor Sonnenaufgang bin ich unterwegs, ein Teil der Herde liegt im Pferch, andere davor, ohne Berg Busch und Baum gibt es keine Wölfe, die Lämmer liegen im Schutz der Wärme angeschmiegt, die Großtante mit ihren 93 Jahren, fast blind, ist auch schon angezogen und gerichtet, läuft mit zwei Stöcken um die Jurte, bringt ihren Kreislauf in Gang. Viele Hütten, Gerätschaften, Traktoren und Motorräder, es handelt sich um wohlhabende Nomadenfamilien, deren gemeinsamer Besitz 200 Kamele, der Großteil weit weg ist, sein Futter sucht, mehrere hundert Ziegen und nicht weniger Schafe, dazu noch 50 Pferde, das muss natürlich alles versorgt werden, gemolken und die Mich verarbeitet, die Herden aus und wieder eintreiben. Begeistert ist der Bub, erzählt allen, er habe von seinem großen Bruder 6 Luftballons bekommen, will sich meinen Namen merken, in der Jurte, alles spielt sich auf kleinstem Raum ab, das Zentrum bildet die Feuerstelle, Frauen kochen, die Männer starren in den Fernseher, mit einer Art Rosenkranz sitzt die betagte Greisin mit ihrem gegerbten Gesicht auf dem Bett, schiebt die Perlen.

Auch morgens werden die Tiere gemolken, der Fettgehalt der Kamelmilch ist das Doppelte unserer Kuhmilch, so gehe ich mit in die Jurte, da wird etwas abgefüllt, draußen auf den Boden geträufelt, die Erde gesegnet, ein schamanisches Ritual, mit dem Pferd wird die Herde ausgetrieben. So werde auch ich durch die mongolische Küche geführt, Milchtee, Airak, ein alkoholisches Getränk aus Pferdestutenmilch, und natürlich Kamelmilch, Schnaps aus Kamelmilch, immer werden die Schalen ausgerieben und neu gefüllt, haben auch alle Fleischsorten durchprobiert. Der erste Luftballon hat bereits das Zeitliche gesegnet, noch ein Gruppenfoto, der Oma wird das Kopftuch mit einer Fellmütze getauscht. Als wir wegfahren wollen, holt sie noch einen Schöpfer Milch, segnet damit das Auto, das ist der Dank für den Besuch und der Wunsch auf eine gute Reise. Wenige km weiter besuchen wir nochmals deren Schwester, die gleich Milchtee aufsetzt, der junge Mann will mit uns nach UB fahren, auch die Tochter, eine 60-jährige Frau. Um nicht ganz alleine zu sein, ist eine Nachbarin da, für die Kamele wird aus der Nachbarschaft ausgeholfen, die Schafe versorgen sie selber, die Frau ist unterwegs, ihre Herde herzutreiben, da kommen 80 Kamele. Die 4-jährigen Hengste werden geschlechtsreif, tragen bei Nacht ihre Brunftkämpfe aus, sind sehr laut, da werden noch zwei kastriert, das Messer schärfen dauert länger als die Prozedur, mit dem Lasso wird eingefangen, ein Zaumzeug angelegt, die Füße gefesselt, das Tier umgelegt, er ritzt die Hoden auf, zieht  mit einem Ruck die Eier samt den Samensträngen heraus, noch ein zucken, er bindet alles auf den hinteren Höcker, sicher auch ein kultisches Ritual, der Herdenhengst kommt schäumend, macht die Stuten an, der kleine Stummelschwanz schlägt aufgeregt auf und ab, der Junghengst genau so, da schreibe ich ins Tagebuch, der hat noch nicht begriffen, dass er seit 20 Minuten die Eier am Rücken trägt.   

Die Greisin hat natürlich für uns gesotten, Lamm und Kamelfleisch, wir überreichen noch Gastgeschenke, habe noch elastische Binden und Pflaster dabei, solches können Nomaden gebrauchen, die Frau macht sich mit ihrem Festtagsdeel stadtfein, reist mit uns weiter nach UB; für uns heißt es rückwärts. 

Das war meine Winterreise in die Mongolei mit Suvdaa und Martin bei mehr als gastfreundlichen Nomaden und Familienangehörigen und einer mehr als vorbildlichen Reiseplanung und Betreuung, mehr kann man in zwei Wochen wirklich nicht erleben.

Otto Keck